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Der Tristan-Betrug

Titel: Der Tristan-Betrug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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Familienunternehmen leitete, würde er den Sowjets den Moskaubesuch seines Bruders ankündigen müssen. Diese Bitte seines jüngeren Bruders würde Howard bestimmt verblüffen. Er wusste, dass Stephen als eine Art Geheimagent für Washington arbeitete, hatte aber aus Sicherheitsgründen nie mehr darüber erfahren.
    Als Metcalfe die Höhle verließ, war der Betrieb oben in der Bar ruhiger geworden. Zwei der drei Gäste waren noch da, aber sie gehörten zu den friedlichen Trinkern, die allein dasaßen und sich in dumpfes, stilles Vergessen tranken. Nur Pasquale, der Barkeeper, sah ihn die Treppe vom Abort heraufkommen.
    Pasquale saß mit einem Stapel Bons über einen Abakus gebeugt und rechnete die Abendeinnahmen zusammen. Er sah auf, als er Metcalfes Schritte hörte, und zwinkerte ihm zu. Dabei machte er eine rasche Handbewegung - Daumen und Zeigefinger an die Lippen geführt, als hielten sie einen Glimmstängel -, und Metcalfe nickte. Der Barkeeper hatte ihn an die Zigaretten erinnert, nach denen er so gierte, und Stephen hatte bestätigt, dass er an ihn denken würde. Metcalfe klopfte Pasquale wortlos auf die Schulter, bevor er die Bar durchquerte und zur Straße hinaufstieg.
    Er sah auf seine Armbanduhr: kurz nach ein Uhr morgens.
    Um diese Nachtzeit waren die Straßen von Paris menschenleer. Metcalfe war müde und hätte ein paar Stunden Schlaf brauchen können, aber gleichzeitig hatte der Treff mit Corky ihn revitalisiert, ihn voller Adrenalin gepumpt. Obwohl er dringend Schlaf brauchte, hätte er jetzt kein Auge zumachen können.
    Es war spät, gewiss, aber auch zu spät? Er kannte eine Frau, die zugleich eine seiner wichtigsten Quellen war. Sie war eine Kryptografin ... eine Nachteule, die nie früh ins Bett ging, obwohl sie um neun Uhr morgens wieder an ihrem Schreibtisch sitzen musste.
    Er sei ihr zu jeder Tages- und Nachtzeit willkommen - hatte sie das nicht schon oft gesagt? Nun, mit einem Besuch um diese Zeit könnte er diese Bemerkung auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen.
    Flora Spinasse war eine eher unscheinbare Frau, aber eine liebe Freundin: anfangs etwas scheu und zurückhaltend, jedoch verspielt und dann leidenschaftlich, sobald sie einmal in Fahrt war. Bis zum deutschen Einmarsch vor fünf Monaten war sie Kryptografin in der Direction Générale de la Sûreté Nationale, dem französischen Inlandsgeheimdienst, gewesen. Nach dem Einmarsch der Deutschen hatte die Gestapo die Sûreté übernommen, und ihre Zentrale im Gebäude 11 Rue des Saussaies war das Gestapohauptquartier geworden.
    Nach einer Säuberung des Apparats von unerwünschten Personen hatte die Gestapo möglichst viele französische Angestellten behalten, weil ihr Leute fehlten, die perfekt Französisch sprachen. Die meisten Sekretärinnen und Sachbearbeiterinnen blieben. Die Französinnen mochten ihre neuen Chefs nicht, aber wer blieb, war klug genug, den Mund zu halten, um seinen Arbeitsplatz nicht zu verlieren.
    Alle hatten jedoch ein Privatleben, einen familiären Hintergrund, und Flora Spinasse hatte ihre eigene kleine Tragödie erlebt. Ihre geliebte Großmutter hatte beim Einmarsch der Deutschen den Tod gefunden. Das Pflegepersonal des Pariser Krankenhauses, in dem ihre Großmutter damals gelegen hatte, hatte die Stadt eilig verlassen wollen, und einige Patienten waren für einen Abtransport zu krank gewesen. Diese Patienten, unter ihnen Floras verehrte grandmere, hatten eine tödliche Spritze bekommen. Flora hatte stumm getrauert, aber ihr Zorn darüber, was die Nazis Paris - und letztlich auch ihrer Großmutter - angetan hatten, schwelte in ihrem Herzen weiter.
    Das alles hatte Stephen gewusst - Corkys Netzwerk hatte die Vorarbeit geleistet, indem es Patientenlisten von Krankenhäusern mit den Personallisten wichtiger Dienststellen im besetzten Paris abgeglichen hatte -, bevor er Flora »zufällig« im Parc Monceau kennen gelernt hatte. Dass dieser gut aussehende, reiche Argentinier sich um sie bemühte, hatte ihr geschmeichelt und sie verlegen gemacht, und sie hatten sich gemeinsam über die dummen, frisch gemalten deutschen Schilder amüsiert, die plötzlich überall auf dem Rasen standen: RASEN NICHT BETRETEN! Vor dem Einmarsch der Deutschen hatte man im Parc Monceau überall picknicken dürfen. Aber jetzt? Das war so ... so typisch deutsch!
    Die von den Deutschen verhängte Ausgangssperre galt ab Mitternacht, sodass jeder, der auch nur einen Funken Verstand hatte, zu Hause oder bei Freunden war, statt auf der Straße

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