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Der Tristan-Betrug

Titel: Der Tristan-Betrug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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eine Pelzmütze trug.
    »Lass bloß die Finger von meinen Zwiebeln«, sagte der Fahrer, als er den ersten Gang einlegte. Der Lastwagen fuhr ruckend an. »Zehn Rubel das Kilo, und ich hab noch Glück gehabt, dass ich sie gekriegt habe. Meine Frau wird sich freuen, das kannst du mir glauben.« Während der Fahrer in ermüdendem Singsang weiterschwatzte, gewöhnten Metcalfes Augen sich an die Dunkelheit, und er bemerkte in der linken Hälfte der Hecktür ein kleines schmutziges Fenster, durch das er beobachten konnte, ob der Lastwagen etwa verfolgt wurde.
    Sie wurden nicht beschattet. Der Fahrer folgte der weit ausholenden Route, die Metcalfe ihm beschrieben hatte, und schwatzte dabei unaufhörlich weiter. Metcalfe ließ von Zeit zu Zeit ein Grunzen hören, um zu zeigen, dass er noch zuhörte. Als der Kastenwagen endlich Nemtschinowka erreichte und von der Moschaisk-Chaussee auf die schmale Waldstraße abbog, die zur Botschaftsdatscha führte, war Metcalfe sich sicher, dass ihnen niemand gefolgt war. Er hatte es geschafft, unentdeckt herzukommen. Endlich ein Sieg, auch wenn es nur ein kleiner war. Er gestattete sich einen Augenblick flüchtigen Stolzes, der Befriedigung über seine Leistung, über die Tatsche, dass er die Situation unter Kontrolle hatte.
    »Halt, du kannst mich hier absetzen!«, rief Metcalfe nach vorn. Der Fahrer schaltete krachend herunter, und der Lastwagen wurde langsamer und kam ruckelnd zum Stehen. Metcalfe stieß die Hecktür auf und sprang von der Ladefläche. Draußen war es finster; um diese Jahreszeit wurde es in Moskau früh dunkel. Der einzige Lichtschein kam aus der ungefähr hundert Meter entfernten Datscha. Metcalfe konnte leise Grammofonklänge, Lachen, lebhafte Unterhaltung hören. Er fragte sich, ob Lana und ihr deutscher Geliebter schon da waren.
    Metcalfe zog einen weiteren Packen Geldscheine aus der Tasche und schlenderte nach vorn, um ihn dem Fahrer hinaufzureichen. Plötzlich fuhr der Lastwagen mit laut aufheulendem Motor in einer Wolke aus Eis und Schnee an. Warum hatte der Fahrer es so eilig, von hier zu verschwinden, dass er nicht einmal auf den Rest der vereinbarten Entlohnung warten wollte? Metcalfe starrte verblüfft nach vorn. In letzter Sekunde, bevor der Kastenwagen auf der unbefestigten Straße davonraste, erhaschte er im Außenspiegel einen kurzen Blick -seinen ersten überhaupt - auf den Fahrer. Mit hämmerndem Puls blickte er in das Gesicht des Mannes, der bisher mit Pelzmütze und wattierter Jacke getarnt gewesen war. Dieses Mannes, der ihn vom Hotel Metropol bis vor die Botschaftsdatscha gefahren hatte.
    Er war der Mann, dem Metcalfe unbedingt aus dem Weg hatte gehen wollen. Der Blonde mit den blassgrauen Augen.

Kapitel Sechzehn
    Der Schaden war angerichtet: Sein Versuch, heimlich hierher zu gelangen, musste noch belastender wirken, als es jede offene Ankunft gewesen wäre. Niemand hätte etwas dabei gefunden, wenn der Mitinhaber von Metcalfe Industries, der zufällig in Moskau war, zu einer Party der Botschaft seines Landes kam. Das war im Gegenteil zu erwarten gewesen. Aber seine Ausweichmanöver mussten den Eindruck erwecken, er habe etwas zu verbergen. Das war nicht gut. Das würde zweifellos Folgen haben, die weit über die Beschädigung seines Eigentums im Hotelzimmer hinausgingen. Folgen, die er später würde tragen müssen.
    Die von der amerikanischen Botschaft gemietete Datscha war ein bescheidenes einstöckiges, aus Holz erbautes Landhaus, das auf einem Hügel mit Blick über ein bewaldetes Tal südwestlich von Moskau stand. Hier lag das Zentrum des gesellschaftlichen Lebens der Moskauer Diplomatenkolonie; hier trafen sich Botschafter, Botschaftsräte, Attachés und ihre Mitarbeiter, um Klatsch auszutauschen, sich gegenseitig zu informieren, und stets waren sie erpicht darauf, einander unauffällig auszuhorchen. Hier kamen die wichtigsten Vertreter Amerikas, Englands, Italiens, Griechenlands, der Türkei und Serbiens das ganze Jahr über in zwanglosem Rahmen zusammen. Unter Diplomaten wurde hier mehr besprochen als auf sämtlichen offiziellen Empfängen, das wusste Metcalfe; die Intimität und Zwanglosigkeit der Datscha förderten müßiges Gerede, das letztlich so vertrauensbildend war, dass handfeste Informationen ausgetauscht werden konnten. Hier ritten die Amerikaner oft mit den Deutschen aus - auf Pferden, die den Amerikanern und Engländern gemeinsam gehörten. Manchmal machten die Diplomaten lange Spaziergänge in den Wäldern. Diesen

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