Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Tristan-Betrug

Titel: Der Tristan-Betrug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
Vom Netzwerk:
gesellschaftlichen Anlässen mit Drinks auf der Veranda oder beim Dinner, den Tennispartien hinter dem Haus oder dem Eislauf, wenn die Plätze in den langen Wintermonaten unter Wasser gesetzt waren, haftete etwas reizvoll Illegales an. Aber hinter der Fassade aus Gesellschaftsklatsch ging es hier in Wirklichkeit um Politik. Das war die wahre valuta, die in der amerikanischen Datscha getauscht wurde. Hier drehte sich alles nur um Politik.
    Metcalfe betrat den Hauptraum im Erdgeschoss, in dem eine buntscheckige Kollektion von Gästen vor dem lodernden Kaminfeuer versammelt war. Einige davon erkannte er auf den ersten Blick: den englischen Botschafter Sir Stafford Cripps; den griechischen Botschafter, der nach links tendierte, aber clever war; Graf von der Schulenburg, ein hoch gewachsener, grauhaariger, distinguiert wirkender Aristokrat, der wegen seiner langen Dienstzeit in Moskau der Doyen des hiesigen diplomatischen Corps war. Andere kamen ihm lediglich bekannt vor. Er sah Amos Hilliard, der seinen Blick kurz erwiderte und als Zeichen des Wiedererkennens kaum merklich die Augen aufriss, bevor er sich abwandte. Das Grammofon in einer Ecke des Raums, ein altes Victrola mit Aufziehkurbel und dekorativem Schalltrichter, spielte »How High the Moon«.
    Er stellte sich einer in der Nähe des Eingangs stehenden Dame vor - der Gattin des amerikanischen Botschafters, wie sich herausstellte.
    »Ungeladener Gast?«, wiederholte sie. »Sie? Unsinn, Sie sind Charlie Metcalfes Junge, nicht wahr? Wissen Sie, Ihr Vater und ich . « Und sie begann über eine schon Jahrzehnte zurückliegende Romanze im New Yorker Union League Club zu plappern. Das erlebte Metcalfe oft, wenn er mit älteren Leuten der gehobenen Gesellschaft zusammentraf. Der Name Metcalfe war nicht nur sehr bekannt, sondern hatte selbst in ersten Kreisen einen besonderen Klang, denn Metcalfes Vater war nicht nur reich, sondern auf eine Art, die seine Söhne nie interessiert hatte, auch ein Salonlöwe gewesen. Stephen hatte sich schon oft gefragt, ob er den Beruf eines Spions für sein Land - eine Tätigkeit, die Verstellung und Schauspielerei und die Annahme einer falschen Identität erforderte - als Reaktion auf den Talmiglanz des gesellschaftlichen Lebens seines Vaters gewählt hatte.
    Nachdem Madam Ambassador ihm den Mantel abgenommen und das aufgeschlitzte Futter - eine Folge der Durchsuchung seines Hotelzimmers durch NKWD-Leute - neugierig betrachtet hatte, hielt sie jetzt seine Hände umklammert und begann, die Partygäste - in leisem, vertraulichem Tonfall plappernd - zu identifizieren: »Dieser kleine Mann dort drüben ist der italienische Botschafter Augusto Rosso mit seiner amerikanischen Gattin Frances. Eigentlich dürfen wir ihn nicht mögen, aber wir tun's, wir tun's wirklich, er ist ein richtig netter Kerl, er fährt uns mit seinem offenen Wagen in Moskau spazieren, er liebt es, nächtelang Poker zu spielen, und er hat den niedlichsten Spaniel, den man sich vorstellen kann, Pumpkin heißt er.
    Ah und dort haben wir ein Trio, das sich besonders gut versteht: die Gesandten der Türkei, Griechenlands und Serbiens; sie treffen sich jeden Morgen zum Kaffee in Stafford Cripps' Salon; sie veranstalten dort einen regelrechten Kaffeeklatsch. Und der rumänische Typ dort drüben . Das dürfte ich Ihnen eigentlich gar nicht erzählen, aber er ist wegen eines Trippers in Behandlung, und ich kann Ihnen sagen, dass Moskau nicht der richtige Ort für die Behandlung von Geschlechtskrankheiten ist; er muss alle vierzehn Tage nach Stockholm fliegen. Nun, Stephen, hoffentlich sind Sie darauf vorbereitet, über Politik zu reden, denn das ist hier das einzige Gesprächsthema, schrecklich langweilig, hoffentlich können Sie's ertragen ...«
    Metcalfe ließ sich einen Drink - einen echten Scotch - von ihr geben und entschuldigte sich dann mit der Bemerkung, er könne sie unmöglich noch länger in Beschlag nehmen. Die Nachricht von seinem Eintreffen hatte rasch die Runde gemacht. Selbst unter den hier versammelten wichtigen und prominenten Leuten war Metcalfe eine Berühmtheit, wenn auch minderen Grades: Er war zumindest eine Kuriosität, ein Geschäftsmann, der in irgendwelchen Familienangelegenheiten in Moskau war, ein vorzeigbarer junger Mann aus einer prominenten Familie. Er stellte frisches Blut oder vielleicht auch Frischfleisch dar, das in ein Gehege mit heißhungrigen Löwen geworfen wurde; jeder wollte mit ihm reden, sich den neuesten Klatsch aus den Vereinigten

Weitere Kostenlose Bücher