Der Tristan-Betrug
weißt du.«
»Ich weiß nicht, was du tust, Stephen. Wie lange bist du in Moskau?«
»Nur ein paar Tage. Lana .«
»Bist du auf diese Party gekommen, weil du wusstest, dass ich hier sein würde?«
»Ja«, gab er zu.
»Was vergangen ist, ist vergangen, Stephen. Wir sind beide erwachsen geworden, haben uns weiterentwickelt. Wir hatten vor Jahren eine flüchtige Liebesaffäre, aber damit ist längst Schluss.«
»Liebst du diesen Deutschen?«
»Er amüsiert mich. Er ist - wie sagt man? - charmant.«
Sie versuchte, leichthin zu sprechen, aber das gelang ihr nicht recht.
»Charmant ist nicht das erste Wort, das einem einfällt, wenn man an Schüssler denkt. Eher kummervoll.«
»Stephen«, sagte sie warnend. »Dir steht's nicht zu, die Geheimnisse des Herzens ergründen zu wollen.«
»Nein. Falls wir wirklich vom Herzen reden. Und nicht von etwas anderem.«
»Was soll das wieder heißen?«, fauchte sie.
»Na ja, Nerzmäntel dürften in Moskau nicht leicht zu beschaffen sein.«
»Ich verdiene jetzt sehr gut. Sechstausend Rubel im Monat.«
»Der gesamte Staatsschatz reicht nicht aus, um dir etwas zu kaufen, das sich nicht kaufen lässt.«
Sie verzog eine Seite ihres Mundes zu einem listigen Lächeln. »Er war ein Geschenk. Allerdings nichts im Vergleich zu dem Geschenk, das du mir gemacht hast.«
»Davon hast du schon mal gesprochen - von einem Geschenk, das ich dir gemacht haben soll. Welches Geschenk, Lana?«
»Rudi ist gut zu mir«, sagte sie, ohne seine Frage zu beantworten. »Er ist ein großzügiger Mann. Klar, er macht mir Geschenke ... Na, wenn schon?«
»Das sieht dir nicht ähnlich.«
»Was sieht mir nicht ähnlich?«
»Dich mit einem Mann einzulassen, weil er dir Nerzmäntel und Schmuck kaufen kann.«
Aber sie ließ sich nicht provozieren. »So drückt er seine Liebe aus.«
»Liebe?«
»Gut, seine Verliebtheit.«
»Ja, aber irgendwie kann ich nicht glauben, dass du . in ihn verliebt bist, oder?«
»Stephen«, sagte sie ärgerlich. »Du hast keinen Anspruch mehr auf mich.«
»Das weiß ich. Das verstehe ich. Aber wir müssen zusammenkommen; wir müssen ungestört miteinander reden. Das ist sehr wichtig.«
»Reden?«, wiederholte sie spöttisch. »Ich weiß, wie du redest.«
»Ich brauche deine Hilfe. Wir müssen uns irgendwo treffen. Vielleicht morgen Nachmittag - bist du dann wieder in Moskau?«
»Ich bin wieder in der Stadt«, sagte sie, »aber ich sehe keinen Grund, mich mit dir zu treffen.«
»Im Sokolniki-Park. An der gewohnten Stelle, wo wir ...«
»Stiwa«, unterbrach sie ihn. »Schweig!« Sie nickte zu einem Mann hinüber, der nicht allzu weit entfernt auf der Veranda hinter dem Haus aufgetaucht war. Als er jetzt zu ihnen hinübersah, erkannte Metcalfe das Gesicht des GRU-Offiziers wieder, der im Bolschoitheater hinter ihm gegessen und ein Gespräch mit ihm angefangen hatte.
»Ich habe ihn schon mal gesehen«, erklärte Metcalfe ihr halblaut.
»Leutnant Kundrow von der GRU«, sagte sie fast flüsternd leise. »Er ist mein Aufpasser.«
»Dein ... Aufpasser?«
»Ich gelte offenbar als ziemlich wichtig - sein Dienstgrad ist für diese Tätigkeit ungewöhnlich hoch. In den vergangenen eineinhalb Jahren ist er mein Schatten geworden. Anfangs war das geradezu lächerlich. Er ist mir überallhin gefolgt. Ich habe mich mit Freunden in einem Restaurant getroffen - er hat am Nebentisch gesessen. Ich war einkaufen, und er hat hinter mir angestanden. Er war zu jeder Vorstellung im Bolschoi, immer auf demselben Platz. Schließlich habe ich ihn zum Tee eingeladen. Das habe ich vor prominenten Gästen einer Künstlerparty im Theater gemacht, damit er nicht Nein sagen konnte.«
»Weshalb?«
»Ich dachte, es sei besser, meinen Aufpasser persönlich zu kennen. Vielleicht erhält er eines Tages den Befehl, mich zur Hinrichtung abzuholen. Vielleicht wird er eines Tages als mein Scharfrichter eingeteilt. Ich wollte den Mann kennen lernen, der mein Schicksal als persönlichen Auftrag akzeptiert hat.«
»Aber weshalb? Warum hast du einen Aufpasser zugewiesen bekommen?«
Lana zuckte mit den Schultern. »Ich vermute, dass das zu meiner Stellung als Primaballerina gehört.« In amüsiertem Tonfall fügte sie hinzu: »Ich bin eine wichtige Persönlichkeit geworden, deshalb muss ich streng überwacht werden. Eine unserer Tänzerinnen, die sich mit einem Ausländer eingelassen hat - einem am Bühneneingang auf sie wartenden kapitalistischen Verehrer -, ist nach Sibirien deportiert worden. Wir
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