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Der Tristan-Betrug

Titel: Der Tristan-Betrug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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draußen im Wald wissen würde, wie sich das machen ließ. Das wusste man immer erst an Ort und Stelle; Improvisation war stets erforderlich. Würde man einen großen hohlen Baumstamm finden? Oder eine Erdhöhle, vielleicht sogar einen Schuppen, eine Waldarbeiterhütte?
    Die Antwort gab ein Buchstaben- und Zahlencode, den Roger mit seinem Taschenmesser in die Rinde des dritten markierten Baums eingeritzt hatte. Dort las Metcalfe in kleinen, groben Druckbuchstaben: C/8/N. Jetzt wusste er, dass das Funkgerät genau acht Meter nördlich dieses Baums zu finden war. Der Buchstabe C bezeichnete die dritte von sechs Möglichkeiten: Das Gerät war vergraben und mit Material vom Waldboden getarnt. Metcalfe schritt die acht Meter ab und wurde sofort auf einen großen, flachen Stein aufmerksam, der halb von Unterholz verdeckt war. Einem zufällig Vorbeikommenden wäre er vermutlich nicht aufgefallen.
    Metcalfe kniete sich hin und scharrte Tannennadeln, Zweige und verrottendes Laub weg; dann wuchtete er den flachen Stein hoch. Darunter kam grünes Segeltuch zum Vorschein: die Plane, in die Roger den kleinen Lederkoffer gewickelt hatte, bevor er ihn in die offenbar schon tagsüber ausgehobene Grube versenkt hatte. Metcalfe zog den fest verkeilten Koffer mit einiger Anstrengung heraus und klappte den Deckel auf, nachdem er Laub, Nadeln und Erdreich abgewischt hatte. Das Funkgerät konnte er auch im Dunkeln bedienen; er hatte lange genug daran geübt, um alle Funktionen auswendig zu kennen.
    Der knapp fünfzehn Kilo schwere Koffer enthielt eine 12-Volt-Autobatterie als Stromversorgung, Kopfhörer und Antenne und das eigentliche Sende- und Empfangsgerät, das aus einem dreißig auf dreißig Zentimeter großen und halb so dicken Stahlkasten mit schwarzer Hammerschlaglackierung bestand. Dies war ein BP-3, das modernste Agentenfunkgerät der Welt. Es war von einer Gruppe polnischer Flüchtlinge entwickelt worden, die unter strengster Geheimhaltung in Letchworth, dreißig Meilen nördlich von London, gearbeitet hatten. Diese Polen, die eine deutsche Ausbildung als Fernmeldetechniker hatten und unmittelbar vor dem deutschen Überfall auf Polen nach England geflüchtet waren, arbeiteten als Zivilisten für den britischen Geheimdienst. Als sie den Auftrag erhielten, das sperrige Funkgerät Mark XV, das in zwei Koffern verpackt werden musste, zu verbessern, konstruierten sie aus miniaturisierten Bauteilen ein kompaktes, aber trotzdem sehr leistungsfähiges Funkgerät. Der Empfänger war hoch empfindlich; der Sender leistete dreißig Watt, die für interkontinentale Verbindungen ausreichten; die Qualität des Geräts war unübertroffen.
    Als Corcoran diesen Koffer in der Kirche an der Place Pigalle Metcalfe übergeben hatte, war er stolz darauf gewesen, dass es ihm gelungen war, mehrere der ersten Prototypen zu ergattern, noch bevor der britische MI-6 sie in die Hände bekommen hatte. Dieses sensationelle Gerät macht alle sonstigen Funkgeräte zu Museumsstücken, hatte Corky stolz verkündet. Aber ich bitte mir aus, dass Sie es mit Ihrem Leben schützen. Sie sind ersetzbar, dieses Gerät vorerst leider nicht.
    Die Gebrauchsanweisung für das BP-3 klebte im Deckel des schwarzen Stahlkastens, aber Metcalfe kannte das Verfahren auswendig. Er machte eine kurze Pause, um auf die Geräusche des Waldes zu horchen. Er hörte das leise Rauschen der Tannen, den fernen Ruf eines Nachtvogels. Sonst nichts. Die Knie seiner Hose waren jetzt vom Schnee durchnässt, seine Beine inzwischen fast gefühllos. So arbeiten zu müssen, war unbequem - unter Dach arbeiten zu können, wäre leichter gewesen, aber das ließ sich nicht einrichten. Doch es gab keinen Grund, sich die Arbeit unbequemer als nötig zu machen. Metcalfe breitete die grüne Plane, in die der Koffer gewickelt gewesen war, auf dem Waldboden aus und konnte nun wenigstens trocken sitzen.
    Allerdings war er für diesen nächtlichen Einsatz im Wald kaum richtig angezogen: Über seinem Smoking trug er einen schwarzen Kaschmirmantel. Seine Kleidung war nicht nur bereits vom Herumstreifen im Wald ramponiert, sondern hätte auch seine Fluchtmöglichkeiten eingeschränkt, falls er fliehen musste. Er war offensichtlich ein gut gekleideter Ausländer, der sich in den Wäldern außerhalb Moskaus herumtrieb, was ihn sofort verdächtig machen würde; er würde sich nicht als Einheimischer, als Jäger oder Angler ausgeben können. Gewiss, er sprach Russisch mit einem Akzent, aber das taten auch viele

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