Der Tristan-Betrug
dringende Mitteilung an Corky, die ihn über die Ereignisse in Moskau informierte, die Existenz eines GRU-Aufpassers für Swetlana meldete und nähere Auskünfte über Kundrow anforderte. Metcalfe schilderte Corky auch die ungewöhnlich starke Überwachung, unter der er hier stand - vor allem durch den blonden Mann. Er sprach die Frage an, ob er enttarnt worden sein könnte. Und er übermittelte Corky eine erste Einschätzung von Rudolf von Schüssler, die sich weitgehend mit Amos Milliards Auffassung deckte: Der Deutsche war kein Kandidat für einen Anwerbungsversuch.
Alles musste jedoch abgekürzt und durch Verwendung üblicher oder eigens vereinbarter Abkürzungen möglichst komprimiert werden. Auf dem Seidentuch mit dem Generalschlüssel waren außer dem alphanumerischen Gitter auch eine Serie von Codegruppen aufgedruckt, die häufig verwendete Ausdrücke abkürzten, die Agenten im Einsatz verwendeten: »Bin heil angekommen« oder »Habe das sichere Haus gefunden«. Darüber hinaus hatte Corcoran einen weiteren Satz extremer Abkürzungen verteilt, die jeweils komplexe Gedankengänge ausdrückten und lange Erklärungen überflüssig machten.
Außerdem konnte Metcalfe seine Nachricht nicht sprechen, sondern musste sie mit Morsezeichen senden. Das ließ sich nicht umgehen. Der Hauptgrund war nicht, dass der Funkverkehr dadurch sicherer wurde, obwohl auch dieser Aspekt eine Rolle spielte. Entscheidend war, dass Sprechfunk nur einige hundert Meilen weit reichte; das war der Stand der Technik. Signale auf unmodulierten Trägerwellen - Morsezeichen - hatten eine fünfmal größere Reichweite.
Mit der Stablampe in einer Hand überflog er die Fünfergruppen auf dem Zettel, den er aus dem halb leeren Päckchen Lucky Strikes gezogen hatte. Jedem gewöhnlichen Leser wären die vielen Buchstabengruppen als unverständliches Kauderwelsch erschienen, aber Metcalfes Sorge galt nicht gewöhnlichen Lesern. Ausgebildete Agenten wie Lanas Aufpasser oder der blonde NKWD-Mann würden sofort wissen, dass dies ein Code war, auch wenn sie ihn nicht entschlüsseln konnten. Wie der Einmalblock und die Schlüsselgruppen auf dem Seidentuch wäre dieser Zettel außerordentlich belastend, wenn er damit geschnappt werden sollte.
Beeilung!, ermahnte er sich. Du sitzt hier im Wald außerhalb von Moskau in einem gottverdammten Lichtkreis. Du kannst jeden Augenblick entdeckt werden.
Er begann die Morsetaste zu betätigen, die in die untere rechte Ecke der Frontplatte des Funkgeräts integriert war. Diese Arbeit ging langsam voran: Metcalfe war außer Übung, weil er in Paris nicht selbst hatte funken müssen, und das schlechte Licht machte die Sache nicht einfacher. Trotzdem schaffte er's, seine Nachricht in etwas über drei Minuten zu senden. Sie war an »Zentrale C-23« adressiert, was automatisch Corcoran bedeutete. Die entschlüsselte Nachricht würde ihm sofort auf sicherem Weg übermittelt werden. Sowie Metcalfe die verschlüsselte Empfangsbestätigung der Gegenstelle erhalten hatte, nahm er den Kopfhörer ab und schaltete das Funkgerät aus.
Er bewegte sich jetzt rasch, knipste die Stablampe aus, zog den Kristall aus dem Gerät und klappte den Deckel zu, um den schwarzen Stahlkasten wieder in die Plane zu verpacken. Er legte das Paket in die Grube zurück, bedeckte es mit dem flachen Stein und scharrte dann das verrottende pflanzliche Material auf dem Waldboden so zurecht, dass es möglichst natürlich aussah.
Er hörte einen Zweig knacken.
Er erstarrte, horchte angestrengt. Obwohl er nicht glaubte, dass das mehr als ein Eichhörnchen gewesen war, konnte man nie vorsichtig genug sein.
Wieder ein Knacken, dann war aus dem Unterholz ein leises Knirschen zu hören. Und dieses Geräusch wiederholte sich.
Das war kein Tier. Das war ein Mann, der im dichten Wald nur unter Schwierigkeiten vorankam. Die mühsamen Schritte schienen näher zu kommen.
Jetzt war er sich seiner Sache sicher. Es gab keinen Zweifel mehr.
Jemand näherte sich!
Metcalfe bewegte sich so leise wie möglich einige Schritte nach links, bis er größtenteils hinter einer Tanne verschwunden war. Sein Herz jagte. Er stand nur wenige Meter von dem soeben wieder versteckten Funkgerät entfernt. Aber er konnte nicht beschwören, dass er beim Vergraben des Geräts nicht beobachtet worden war. Er versuchte zu überlegen, wie lange seine Stablampe eingeschaltet gewesen war. Hatte sie den sich nähernden Unbekannten angelockt?
Klar wurde ihm auch, dass das Funkgerät
Weitere Kostenlose Bücher