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unterdrückte seine Erleichterung und sagte vorsichtig: »Unser größter Trumpf in dieser Angelegenheit ist Eure Schwester, die Herzogin, Majestät. Morgen, bei der Audienz des Herzogs, sollten wir darauf hinweisen, dass Lady Anne unter dem Schutz Englands, des Landes ihrer Geburt, steht. Und dass sie der Herzogin ausgeliefert werden soll, bis .«
Edward drehte sich im Sattel um und starrte auf seinen Großkämmerer. »Bis ich wieder auf dem Thron sitze und Lady Anne an unseren Hof in London zurückkehren kann.« Er ergriff die Zügel und tätschelte den Hals seines nervösen Pferds. Er war erschöpft. Und wütend. Vor allem über sich selbst.
Richard sagte zuversichtlich: »Genau, Bruder. Ein ausgezeichneter Plan. Sollen wir jetzt zum Hof zurück? Die Nacht ist fast vorüber.«
Edward warf einen letzten Blick auf die schlafende Stadt Brügge. Fast überall war es dunkel, doch als er zum Prinzenhof schaute, sah er ein einsames Licht brennen. War sie dort? Wartete dort Anne verzweifelt auf ihre Rettung?
Er wendete sein Pferd Richtung Heimatstall und trieb es zu einem leichten Trab an, um sein Maul nicht weiter zu schinden. Seine Gefährten folgten ihm auf dem schmalen Saumpfad entlang des vom Regen angeschwollenen Flusses. Die Entscheidung war gefallen.
Kapitel 42
Der offizielle Besuch von Edward Plantagenet, dem entthronten König von England, bei Karl, Herzog von Burgund, sollte am Stephanitag stattfinden. Herzog Karl hoffte inständig, dass Edwards Anwesenheit die Bürger von Brügge von ihren Ängsten ablenkte - und von dem neuesten Skandal, dem seltsamen Verschwinden ihres Bischofs.
Beim ersten Morgengrauen war der bischöfliche Kaplan zum Prinzenhof gekommen. Er wollte fragen, ob sein Herr in seinen Palast zurückzukehren wünschte, um den Hausstaat und die Mönche zum Festgottesdienst zu geleiten. Der Kaplan wurde zu der Zelle geführt, in der Anne gefangen gehalten wurde. Der verwirrte Wachmann aber, der vor der Tür stand, sagte, der Bischof sei bereits Stunden zuvor gegangen. Es sei zwar dunkel gewesen, aber er hätte ihn persönlich hinausgehen sehen, und er sei sogar niedergekniet, um seinen Segen zu empfangen.
Der Mönch sah, als er die Tür aufriss, aber nur Lady Anne de Bohun in der Zelle, die zusammengekauert in einem ausladenden Prunkstuhl schlief. Vom Bischof keine Spur, bis auf einen gewissen Duft, der selbst jetzt noch wahrnehmbar war. Genau wie Bruder Agonistes hielt der Bischof nichts von Wasser zur Reinigung des sündigen Körpers, außer anlässlich des Sakraments der Taufe.
Das verängstigte Mädchen konnte, nachdem es wach gerüttelt worden war, nichts zur Aufklärung beitragen. Ja, sie und der Bischof hätten viele Stunden miteinander gesprochen und er hätte ihr einen Rat gegeben. Und ja, als er ging, habe sie geglaubt, er kehre in seinen Palast innerhalb der Klostermauern zurück. Wohin sonst hätte er gehen sollen?
Der Kaplan sah der Frau nicht in die Augen, denn er fürchtete sich vor ihrem Zauber. Aus reiner Nächstenliebe jedoch schlug er ein Kreuzeszeichen über das furchtsam geneigte, sehr hübsche Köpfchen der Büßerin und gab seinem frommen Wunsch Ausdruck, dass die »Konversation« mit dem Bischof sie Gott und damit ihrer Erlösung nähergebracht habe. Dann runzelte er missbilligend die Stirn und kehrte zu Odos Palast zurück.
Das Durcheinander, das bei seiner Rückkehr entstand, entfachte ein Feuer, das in der dann folgenden Aufregung und Ungewissheit die Gluthitze eines Schmelzofens erreichte. Der Bischof konnte nicht gefunden werden! Der Tumult verwandelte sich in Panik, die in der Stadt kreiste, bis sie wieder am Prinzenhof ankam. Unterdessen schwärmten die Mönche und Diener des Bischofs aus und befragten die Bewohner der Stadt. Wer hatte den Bischof gesehen? Wo könnte er sein?
Die Menschen, die die engen Straßen säumten und auf Edward Plantagenet und sein Gefolge warteten, wurden wegen des Aufruhrs sehr unruhig. Gestern erst die Anschuldigung wegen Hexerei und heute ein verschwundener Bischof. Wo sollte das alles enden? Gute Omen, schlechte Omen, beängstigende Vorzeichen ...
Trotzdem war der Besuch des entthronten englischen Königs eine Zerstreuung ganz nach dem Geschmack der Brügger. Edward Plantagenet war bei den Bürgern noch immer beliebt, auch weil sie sich der großzügigen Geschenke des Königs und seiner Höflinge aus Anlass der Hochzeit des Herzogs mit der Herzogin erinnerten. Sie hofften, dass sich das an diesem Tag wiederholen würde. Die
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