Der Triumph der Heilerin.indd
unser lieber Schwager uns, vor allem dich, endlich offiziell empfängt.«
»Ich vermute, unsere Schwester ist nicht ganz unschuldig daran. Nur nichts übertreiben.«
Herzog Karl hatte feierlich in seinem Audienzsaal Platz genommen und saß nun unter einem reich bestickten und mit Edelsteinen besetzten Baldachin. Während er auf den Auftritt Edwards und seines Gefolges wartete, zeigte sein Gesicht eine geschulte Gleichgültigkeit, und nur diejenigen, die ihn sehr gut kannten, spürten seine Nervosität. Zu diesen gehörte auch die Herzogin Margaret. Sie sehnte sich danach, die Hand ihres Gemahls zu berühren oder ihm wenigstens ein Lächeln zuzuwerfen. Aber das war in dieser Situation nicht angebracht. Trotzdem war sie froh, dass der Herzog einen so großartigen Empfang für ihren Bruder hatte vorbereiten lassen.
Karl trug an diesem Tag ein wahrhaft königliches Gewand aus schwarzem Samt, das mit Goldknöpfen, Kristalltropfen und dazu passenden, schimmernden Perlen besetzt war. Unterhalb seines linken Knies trug er das blaue Band der Ritter des heiligen Georg. Edward Plantagenet selbst hatte ihm das Ordensband anlässlich seiner Hochzeit mit Margaret von England verliehen. Er hatte zuerst gezögert, als seine Gemahlin ihm vorgeschlagen hatte, das Band an diesem Tag anzulegen. Dann hatte er aber doch zugestimmt, weil diese Geste ein deutliches Signal an den französischen Hof bedeutete. Louis de Valois würde natürlich von dieser Freundschaftsgeste erfahren, aber Karl wollte auf den König der Franzosen keine Rücksicht mehr nehmen. Louis hatte den Vertrag von Peronne, auf den sie sich erst vor kurzem geeinigt hatten, persönlich für nichtig erklärt. Nun sollte er Sturm ernten.
Karl hatte eine besonders provozierende Kopfbedeckung gewählt, ebenfalls als ein Signal an den französischen Hof. Als Herzog hatte Karl keinen Anspruch auf eine Krone, bei diesem Empfang jedoch trug er einen hohen Hut aus schwarzem Samt und glänzendem Biberfell. Ein eindrucksvolles Gebilde mit Straußenfedern, von massiven Smaragden gehalten, das von einem goldenen, mit Diamanten besetzten Diadem eingefasst war. Das Diadem hatte jedoch nicht die Form, die üblicherweise von Herzögen getragen wurde. Nein, dieses sah eher wie eine Königskrone aus. Louis sollte ruhig davon erfahren und mochte davon halten, was er wollte. Eine Warnung? Sicherlich!
»Danke, Karl.« Der Herzogin neben ihm gelang ein unauffälliges Flüstern, bei dem sie kaum ihre Lippen bewegte. Karl nickte ernst, war sich aber nicht sicher, ob seine Gemahlin die wirkliche Bedeutung des Empfangs ermessen konnte. Dieses Zeremoniell hätte nicht stattgefunden, so sehr sie sich das auch gewünscht hätte, hätten die Zeiten sich nicht geändert.
Herzog Karl gestattete sich die Andeutung eines zärtlichen Lächelns. Margaret sah an diesem Tag besonders hübsch aus, auch wenn sie ein wenig angespannt wirkte, was nicht anders zu erwarten war. Sie trug ein schlichtes Gewand aus perlweißem Damast unter einem seitlich offenen Obergewand aus blauem Samt, das mit einem weißen, golddurchwirkten Stoff gefüttert war. Auf dem Kopf trug die Herzogin eine flache Kappe aus reinweißer Seide, die von einer leichten, an Schmetterlingsflügel erinnernden Kopfbedeckung aus gestärkter Gaze gekrönt war. Höchstens eine unter hundert Frauen besaßen die Haltung und
Anmut, solch eine Ungeheuerlichkeit zu tragen, ohne dabei töricht auszusehen. Die Herzogin war eine von ihnen.
Plötzlich wurden mit großartiger Geste die Türen zum Audienzsaal aufgerissen, und der Schlossvogt trat ein. Er stieß seinen Stab aus Elfenbein, Pockholz und Gold drei Mal auf den gefliesten Boden. Die Palastdiener schwärmten aus und formierten sich zu einer Ehrengarde, und hinter ihnen strömten leise schwatzend die Höflinge herein, begierig, keine Sekunde dieser wichtigen Begegnung zwischen den beiden Männern zu verpassen.
»Seine höchst ehrwürdige und gnädige Majestät, Lord Edward, König von England, Frankreich, Irland und Wales. Herzog von Cornwall ...« Während die schier endlose Zahl von Titeln aufgezählt wurde, erhoben sich der Herzog von Burgund und seine Gemahlin und warteten, bis Edward Plantagenet, sein Bruder, Herzog Richard von Gloucester, und ihr Gefolge den weiträumigen Audienzsaal betreten hatten. Mit unbewegtem Gesicht durchmaß Edward die große Entfernung bis zu dem erhöhten Thron, sein Bruder an seiner Seite. Das silbergraue Wams aus flandrischer Seide hatte geschlitzte Ärmel, aus
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