Der Triumph der Heilerin.indd
übergeben, und dein Leib wird bis auf ein Häufchen schwarzer Asche auf dem Marktplatz verbrannt werden. Deine Seele aber, deine unsterbliche Seele, wird für alle Zeit in der Hölle schmoren.«
»Halt!«
Der Bischof drehte sich wütend um. Noch wütender als er aber war Margaret, die Herzogin von Burgund, die in der Zellentür stand. Die Herzogin bewegte sich in dem den Hofdamen eigenen, gleitenden Gang in die Zelle, streckte ihre Hand aus und half Anne auf.
Sie sah den Bischof mit einem kühlen Blick an.
»Ich warne Euch, Herr Pfarrer. Lady Anne de Bohun ist Engländerin und steht als solche unter dem Schutz meines Bruders, des Königs.«
Der Bischof gab sich kaum Mühe, seine Häme zu verbergen. »Euer Bruder wurde abgesetzt, Madame. Und außerdem hat er hier nichts zu sagen. Anders Euer Herr Gemahl, und ich erwarte, dass er als treuer Sohn der Kirche Euren Ungehorsam in dieser Angelegenheit unverzüglich bestrafen und Euch dem göttlichen Amt dieser Stadt ausliefern wird, ein Amt, das ich, wie Ihr wohl wisst, verkörpere. Die Seele dieser Frau wie auch Eure Seele gehören in meinen Bereich. Nehmt Ihr sie mit, werde ich Euch beide exkommunizieren.«
Anne löste ihre Finger aus Margarets Hand und sah dem Bischof direkt in die Augen. »Ihr seid ein Narr. Versucht nicht, Eurer Herzogin oder mir mit leeren Worten zu drohen.«
Annes Augen waren kalt wie Marmor. Margaret stellte sich dicht neben ihre Freundin. Sie waren von gleicher Statur und wirkten plötzlich auch gleichermaßen furchteinflößend. Ihr vereinter Widerstand verwirrte und erschreckte den Bischof.
Die Hand, mit der er das Kruzifix in die Höhe hielt, zitterte. Der Leib Christi war seine Waffe gegen die Blendung und den Zauber der Hexe - der zwei Hexen -, die da vor ihm standen. Er war ein geweihter Bischof. Die göttliche Macht, die in ihm verkörpert war und die sich gegen die Hexerei richtete, würde sich behaupten. »Herzogin, ich bin Euer Bischof und vertrete die Macht der Kirche in dieser Stadt und gegenüber ihren Bewohnern, zu denen auch Ihr zählt.«
Margarets Blick wurde stechend. Sie hörte das Beben in Odos Stimme und sprach in herablassendem Ton.
»Bischof, Ihr habt versucht, einen wichtigen Gast meines Gemahls einzuschüchtern. Doch diese Dame ist nicht länger wehrlos. Seid Euch darüber klar. Sie wird jetzt mit mir kommen, und Ihr werdet zu Euren Brüdern in Christo zurückkehren. Damit wird die Angelegenheit erledigt sein. Die Empörung wird sich bald wieder legen, und die Sache wird als das gesehen werden, was sie ist: sensationslüsterner, bedeutungsloser Unsinn.«
Einen Augenblick lang glaubte Odo sogar, was Margaret von England sagte, vor allem, als sie ihn auch noch anlächelte. Aber dann fing er sich wieder. Es war seine Pflicht, gegen diese üble Demonstration hexerischer Weiblichkeit anzugehen.
»Nehmt Euch in Acht, Madame. Ich warne Euch. Ein hübsches Gesicht und ein schöner Leib sind der Weg zur Hölle und des Mannes Verderben. Aber Ihr könnt mich mit diesem Teufelszeug nicht beeinflussen. Ich bin ein Mann Gottes, und auch wenn Ihr mit dem Herzog verheiratet seid, müsst Ihr eines begreifen: Herzoginnen und selbst Königinnen sind schon wegen Hexerei verbrannt worden. Schützt Ihr Eure Freundin so hartnäckig, weil Ihr selbst eine Hexe seid? Euer Gemahl soll davon erfahren. Von mir. Und er wird Euch verstoßen, aus dem Ehestand jagen, seiner unsterblichen Seele und den Seelen all seiner Untertanen zuliebe. Und selbst wenn er Euren Körper nicht den Flammen übergibt, seid versichert, dass Ihr Euer Leben fortan hinter Klostermauern verbringen werdet, eine stumme Büßerin bis in den Tod.«
Doch nun stand die Lady aus England vor dem Bischof von Brügge und nicht nur die Frau seines Herzogs. Ein durchdringender Blick von Margaret, und Odo wusste plötzlich mit tödlicher Sicherheit, dass er einen Fehler gemacht hatte. Ein stechender Schmerz in seiner Brust quetschte sein Herz wie eine
Walnuss in einem Schraubstock zusammen. Das Kruzifix entglitt seinen Händen, und er fiel rücklings in den Bischofsstuhl. Sein Herz holperte, er keuchte, und seine Beine wurden schwach wie leere Wursthüllen und konnten ihn nicht mehr tragen.
Der Wandteppich hinter dem Bischof kräuselte sich sanft wie in einer leichten Brise. Aber nur Anne bemerkte die Bewegung. Im Schatten der Wand bildete sich etwas, ein Umriss, die Ahnung einer Gestalt, die sich aus einer Materie, dichter als kalte Nachtluft, formte. Etwas Goldenes glitzerte
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