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Der Triumph der Heilerin.indd

Titel: Der Triumph der Heilerin.indd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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es gibt Dringendes zu besprechen. Sehr Dringendes.« Gegen seinen Willen konnte der Abt nur noch flach atmen, und seine Stimme war mindestens eine Oktave höher als sonst.
    Agonistes verstand. Jahrelange Erfahrung als Höfling hatte ihn manches gelehrt, auch wenn er vermied, daran zu denken. Er, das Werkzeug des Herrn, hatte eine gute Freundin der Herzogin verleumdet, und sie, die einstige Lady Margaret von England, war eine mächtige Frau. Der Mönch lächelte. »Bruder, warum sich um die Zukunft unserer sterblichen Hülle ängstigen, wenn es allein die ewige Seele ist, auf die es ankommt?«
    Waren es dieses schmallippige Lächeln oder der fatalistische
    Tonfall, der die Nerven des Abts fast zum Reißen brachten? Er atmete tief durch die Nase ein, wobei er ein seltsam pfeifendes Geräusch erzeugte. Er bemühte sich um einen festen Ton. »Trotzdem, liebster Bruder, muss ich offen mit Euch sprechen. Ihr seid unser Gast, unser heiß geliebter Bruder im Angesicht des Herrn.« Der Abt schluckte, diese Formulierung klang selbst für ihn etwas übertrieben. »Und ich muss für Euer körperliches Wohl sorgen, auch wenn es Euch nicht kümmert.«
    Agonistes stemmte sich mühsam hoch und stand schwankend neben der schmalen Pritsche. Er hatte nicht das geringste Interesse, bei diesem Spiel mitzuspielen. »Womit Ihr sagen wollt, Bruder, dass Ihr für das Wohl Eures Hauses fürchtet, wenn ich weiter unter diesem Dach weile?«
    Der Abt war gekränkt und, ja, verärgert. Die Herzogin war immer eine äußerst großzügige Gönnerin gewesen - man beachte nur das neu gemalte Fenster, das Margaret gestiftet hatte und das dem heiligen Georg, dem ersten Heiligen Englands, geweiht war. Trotzdem hoffte der Abt, dass die enge Beziehung zwischen seinem Orden und dem burgundischen Hof nicht so schwer wog wie seine Pflicht. »Bruder, ich habe in dieser vergangenen Nacht inbrünstig gebetet, und Gott hat mir seinen kostbaren Rat in dieser - Angelegenheit angedeihen lassen. Er hat mir gesagt, dass ich das Wohl aller in diesem Haus im Auge haben muss, das der Seelen wie der Leiber. Aber meine Fürsorge soll mit Euch beginnen.«
    Wohlformulierte Lügen. Agonistes zuckte die Achseln. »Ich bin bereit, nach Paris zurückzukehren, Bruder, falls es das ist, was Ihr von mir verlangt. Macht Euch keine Sorgen. Wir haben alle unsere Pflichten.« Tatsächlich war der Mönch froh, Brügge hinter sich lassen zu dürfen, vor allem, seit er früher am Tag mitten im Gebet den Aufruhr gehört hatte, der den triumphalen Einzug von Edward Plantagenet in die Stadt begleitet hatte. Allein bei der Erinnerung an das Getöse verschloss Agonistes seine
    Augen und seine Ohren. Und sein Herz. Diesen Ehebrecher, der so viel Leiden über sein Leben gebracht hatte, wollte er in keiner Form wahrnehmen müssen.
    Verstohlen wischte sich der Abt den Schweiß von der Oberlippe. Es war bereits kurz vor der Terz, dem dritten Stundengebet. Wenn er sich beeilte, konnte er diesen »geliebten Bruder in Christo« aus dem Kloster geschafft haben, bevor die Glocken zur Andacht riefen. »Da Ihr Euren Weg gewählt habt, Bruder, möchte ich Eure Entscheidung unterstützen. Hier, das ist für Eure Reise nach Paris, damit der Weg nicht zu beschwerlich wird.« Wie ein Zauberer zog der Abt vor den Augen des Mönchs eine Satteltasche hervor. »Essen, Münzen - nicht viel, natürlich. Wir sind ein armes Kloster.« Er hustete. Es war nicht leicht gewesen, einen angemessenen Betrag zu bestimmen - zu viel, und Agonistes würde das Geld als Bestechung betrachten und sich in seinem Wahnsinn weigern abzureisen. Denn nur ein Wahnsinniger hätte das gesagt, was er bei dem Fest am Tag zuvor gesagt hatte. »Und wir haben auch einen Esel für Euch, Bruder. Kommt mit und lernt ihn kennen, Euren neuen Freund und treuen Reisegefährten. Ein reizendes Tier und auch recht robust.«
    Vor Erleichterung babbelte der Abt wie ein geschwätziges Weib, als er den Mönch aus der Zelle scheuchte. Doch Bruder Agonistes wollte sich kein Urteil über die Käuflichkeit des Mannes erlauben. Vielleicht geschah esja wirklich nur aus Rücksicht auf seine Brüder, dass er seinen »geliebten Bruder in Christo« auf die unbarmherzige Straße entließ. Der Mönch wusste sehr wohl, dass er, wenn er nicht abreiste und in Brügge bliebe, seine Anschuldigungen vor der Herzogin würde rechtfertigen müssen. Agonistes sehnte sich nach Frieden, aber sein Kopf schmerzte, und sein Blick trübte sich, wenn er zu verstehen suchte, was Gott in

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