Der Triumph der Heilerin.indd
Louis de Valois hat seine Netze ausgeworfen, um uns alle zu fangen.« Jetzt war es ausgesprochen. Die Zeit für schöne Reden war vorüber.
Edward nickte nachdenklich. »Ja, es gibt viel zu sagen und viel zu besprechen. Aber wir hier sind alle Freunde, die zueinanderstehen. Louis de Valois kann uns nichts anhaben, wenn wir zur Tat schreiten. Gemeinsam.«
Die Herzogin Margaret von Burgund spürte die Angst über ihren Rücken kriechen wie ein Insekt. Die Männer wechselten finstere Blicke, und mit dem Einsetzen der Dämmerung war es auch im Saal finster geworden.
»Euer Majestät? Euer Gnaden?« Margaret erhob sich, was ein deutlicher Verstoß gegen das Protokoll war, da ihr der König nicht die Erlaubnis erteilt hatte. »Ich würde mich gern zurückziehen. Zu dieser Jahreszeit beherbergt das Schloss viele unerwartete Gäste« - Margaret warf Edward rasch einen Blick zu -»und ich merke, dass Euer Majestät und der Herzog, mein Gemahl« - sie machte einen förmlichen Knicks vor Karl - »viel zu besprechen haben, was mich und andere meines Geschlechts nicht betreffen mag.«
Karl war einen Augenblick verwirrt, als er den intensiven Blick bemerkte, den Schwester und Bruder während der Worte der Herzogin austauschten. Trotzdem, Margaret hatte recht. Familientreffen mussten an einem Tag wie diesem hinter schwerwiegenderen Themen zurückstehen.
»Kommt, Herzogin, erlaubt einem lang abwesenden Bruder, Euch hinauszugeleiten.« Edward verneigte sich vor dem Herzog und nahm die Hand seiner Schwester. Als sie durch den Saal schritten, dem Thron den Rücken zugekehrt, konnten sie miteinander sprechen.
»Ist sie in Sicherheit?«
Margaret nickte. »Ja. Der Bischof wurde letzte Nacht ... unterbrochen, bevor er etwas Schlimmeres anrichten konnte, als sie zu erschrecken. Aber er ist gestorben. In der Stadt wird hektisch nach ihm gesucht.«
Margarets Stimme klang unberührt, und Edward vermied, sie anzusehen, aber ihn fröstelte angesichts der seltsamen Ereignisse. Er starrte geradeaus und sprach aus dem Mundwinkel: »Als wir hier ankamen, hörten wir, dass er vermisst wird.«
Margaret lächelte nach links und nach rechts. Sie musste sich sehr zusammenreißen. »Ja. Man hat ihn . entfernt. Nachdem er gestorben war.«
»Wo ist sein Leichnam?«
Margaret lachte fröhlich und tätschelte die Hand ihres Bruders, als hätte er etwas besonders Witziges gesagt. »Davon lass uns später sprechen. Jetzt aber will ich die Wahrheit wissen. Ist Anne die leibliche Tochter des alten Königs?«
Sie waren an der Tür angekommen, die von den Türstehern lautlos geöffnet wurde. Edward warf seiner Schwester einen tief beunruhigten Blick zu. Jetzt war keine Zeit, sie zu fragen, woher sie das wusste, und so nickte er nur. »Ja. Sag Anne, ich liebe sie. Ich schütze sie - daran darf sie niemals zweifeln.«
Margaret machte einen tiefen Hofknicks, als der König sich vor ihr verneigte. »Ich auch, Bruder. Ich auch.«
»Wo ist der Mönch, der sie beschuldigt hat? Ich möchte ihn persönlich verhören.«
Margaret erhob sich und lächelte strahlend. »Ich ebenfalls, und Karl auch. Er wird noch heute in den Prinzenhof gebracht. Dann werden wir weitersehen.«
Die Herzogin tauchte in ihrem Gefolge von Hofdamen unter. Als die Frauen das Vorzimmer des Audienzsaals verließen, fiel manch heimlicher Blick auf ihren beängstigend gutaussehenden Bruder, den König. Dieser aber hatte ausnahmsweise keinerlei Sinn für die Bewunderung der Damen.
Kapitel 43
»Bruder? Es tut mir aufrichtig leid, Euch stören zu müssen ...« Dem harten Klopfen am Türrahmen folgte ein Quietschen, als die Tür geöffnet wurde.
Agonistes hörte die Angst in der bebenden Stimme des Abts und beschloss, sie zu ignorieren. Im Gebet konnte er die irdischen Sorgen dieser verderbten Welt und ihrer Diener vergessen. Er neigte seinen Kopf noch tiefer, hob seine gefalteten Hände noch höher und sprach noch lauter.
»Heilige Jungfrau Maria, unbefleckte und reine Mutter unseres Erlösers, sieh hinab auf deinen sündigen Diener. Stehe mir bei, ich flehe dich an .«
»Bruder!« Eine Hand senkte sich auf seine Schulter. Die Hand war schwer, und die Schulter war schwach. Wann hatte er zuletzt gegessen? Agonistes sackte unter diesem irdischen Gewicht zusammen. Er war so müde, so müde. Er hörte auf zu beten. Langsam öffnete er seine Augen, brauchte aber eine Weile, bis er das sorgenvolle Gesicht, das sich über ihn beugte, richtig sehen konnte.
»Ich möchte Euch nicht stören, aber
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