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Der Triumph der Heilerin.indd

Titel: Der Triumph der Heilerin.indd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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diesem Augenblick von ihm erwartete. Natürlich würde er seinem Bruder, dem König von Frankreich, nicht mehr nützlich sein, wenn die Herzogin Margaret in ihm die kümmerlichen Reste des sündigen Dr. Moss wiedererkennen würde. Das konnte nicht Gottes Wille sein, oder doch? Louis de Valois war ein heiliger Speer in der Hand des Herrn, und er, der Sünder, war vielleicht die Speerspitze, wenn auch aus minderem Metall. Nein, wenn er es recht bedachte, war die Entscheidung richtig, diese verderbte Stadt, diesen Ort des Lasters und der Sünde zu verlassen. Er hatte seine Aufgabe erfüllt. Die Mönche hatten ihm berichtet, dass Anne de Bohun sich in den Händen der kirchlichen Gerichtsbarkeit befände. Und obwohl er sich über den begeisterten Empfang des einstigen Königs von England wunderte, war dieser jetzt wenigstens als Ehebrecher entlarvt. Ja, sein Werk war vollbracht.
    Und so machte sich Bruder Agonistes auf den Weg, als vom Belfried über der Tuchhalle am Marktplatz die Mittagsglocke zu läuten anhob. An diesem Stephanitag war es recht unwirtlich geworden. Ein unangenehmer Schneeregen fiel vom Himmel, und es wehte ein eisiger Wind. Doch trotz der Kälte hatte Ago-nistes nichts an als seine schmutzigen Kleiderfetzen und einen geflickten Wintermantel, den er eng um seinen ausgemergelten Leib geschlungen hatte. Den pelzgefütterten Mantel, den der Abt ihm in letzter Minuten angeboten hatte, hatte er ausgeschlagen. Seine Füße in den löcherigen Sandalen, die er vor langer Zeit selbst genäht hatte, waren blau gefroren. Wegen seiner mannigfaltigen Sünden glaubte er, dass Gott für ihn keine neuen Schuhe wollte, jetzt nicht und nicht für alle Zeit. Deshalb schwelgte er in der Gewissheit, dass die Reise nach Paris, die viele beschwerliche Tage dauern würde, ihm Gelegenheit gäbe, über seine Fehler und Sünden nachzudenken. Vielleicht konnten seine jetzigen Leiden einen Teil der Schuld sühnen, die er in seinem weltlichen Leben in Westminster auf sich geladen hatte.
    Kaum war Agonistes aufgebrochen, wurde deutlich, dass der Heiland Gefallen an seinem Gehorsam fand: Der Esel zwischen seinen Beinen schien sich plötzlich seiner Lebensaufgabe bewusst zu werden. War er vorher noch unschlüssig durch Brügges Straßen gelaufen, trottete er nun stetig unter den Festungsmauern des Kruisport entlang und über die hallende, hölzerne Zugbrücke, die das Stadttor mit dem Ufer des Zwin verband. Dies, obwohl Agonistes dem Tier keinerlei Richtung angegeben hatte. Ehrfürchtig bekreuzigte sich der Mönch. Gewiss, Gott war gütig. Er hatte ihm einen Esel geschickt, der den Weg nach Paris kannte.
    Als Agonistes die Stadt hinter sich gelassen hatte, schloss er zuversichtlich seine Augen. Mochten Gebete seine eisigen Finger erwärmen, mit denen er den Rosenkranz betete. Und der Esel, als wollte er ihn beruhigen, trottete unermüdlich an der Uferstraße entlang, seine zierlichen Hufe klapperten auf dem letzten Stückchen gepflasterter Straße, bevor der Weg sich in einen gefrorenen Lehmpfad verwandelte.
    Sie hatten einen langen, langen Weg vor sich.
    Endlich sahen sie in der Ferne die Festungsmauern und Türme, und jeder der hungrigen, durchgefrorenen Männer schuf sich in seiner Vorfreude das Trugbild eines üppigen Mahls und eines warmen Betts. Und vielleicht auch das Bild einer willfährigen Frau dazu. Sie beschleunigten ihre Schritte, als flösse neue Kraft in ihre müden, frierenden Füße.
    »Brügge, da wären wir also, Meister Seemann. Vielleicht hört Ihr hier Neues von Eurem Weib.«
    Leif blieb einen Augenblick stehen und stützte sich auf seinen langen Gehstock. Konnte er der Wahrheit ins Auge blicken? Was, wenn er nichts über Anne erführe? »Das hoffe ich sehr, de Plassy. Meine Frau hat viele Freunde in der Stadt. Und ich auch.«
    Der Franzose drehte sich zu seinen Kameraden um und winkte. »Mein Freund, das glaube ich Euch gern, ob Ihr nun verheiratet seid oder nicht. Und nun, Jungs, sputet euch, dann sind wir vor Einbruch der Dunkelheit in der Stadt. Jede Menge Zeit, neue Freunde und Gespielinnen zu finden. Brügge ist zu unsereins schon immer gut gewesen.«
    Das war das Beste, das die Männer seit dem Knirschen des Schlüssels in der Tür ihrer Gefängniszelle gehört hatten. Niemand hatte etwas einzuwenden. Johlend und schreiend rannten sie um eine lange Straßenbiegung, bis sie in der Ferne das große Tor des Kruispoort sahen.
    Leif zog sich die Kapuze tiefer ins Gesicht und ließ die Männer rennen. Die

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