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Der Triumph der Heilerin.indd

Titel: Der Triumph der Heilerin.indd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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hat. Ich hoffe, sie finden die Anerkennung des Herrn und auch die Eure, Bruder König. Und die Frau wird mittlerweile auf dem Scheiterhaufen verbrannt sein -wenn Gott es so gewollt hat.« Ernst bekreuzigte er sich.
    Louis ahmte ihn automatisch nach.
    »Und auch Ihr, Bruder, müsst Euch von den irdischen Sünden befreien, wenn Ihr Euer Königreich für Gott und in seinem Namen regieren wollt. Stolz wird Euch in diesem Krieg vernichten, denn Stolz ist das Laster der Könige und die schlimmste Sünde überhaupt. Nun betet mit mir, auf dass wir beide geläutert werden.«
    Die Augen des Mönchs waren weit aufgerissen, Teiche von schwarzer Leere. Louis ahnte in ihnen das Entsetzen der Ewigkeit. Plötzlich warf sich Agonistes auf den Bauch und kroch zum König hin wie ein Wurm oder eine Nacktschnecke oder sonst ein ekelhaftes, kriechendes Ding. Louis lehnte sich entsetzt zurück, als der Mönch den Thron erreichte und beharrlich am Saum seiner Robe zerrte, als wollte er mit den stinkenden Fingern an seinen Beinen hochklettern.
    »Gewährt mir die Gunst eines gemeinsamen Gebets wegen des Ungeheuers, ich flehe Euch an. Nur dann kann ich für Euch und für das Königreich Frankreich von Nutzen sein, wenn ich erkenne, was unser Herr mit dieser Kreatur beabsichtigt.« Fast erstickt von dem Gestank, der von dem Mönch aufstieg, bedeckte Louis Mund und Nase mit der einen Hand und bedeutete den Wachen mit hektischem Winken der anderen Hand, Agonistes aus der Audienz zu entfernen. Unverzüglich wurde der Mönch von einem Schwarm bewaffneter Männer gepackt und, halb getragen, halb geschoben, vor die Tür geschafft. Louis schauderte vor Erleichterung, glaubte aber immer noch, dass Gott ihm durch den Mönch, seinem Gesandten auf Erden, seinen Willen mitteile. Nur manchmal bewirkte der Gestank eine gewisse Verunsicherung bei ihm. Warum paarte sich Heiligkeit mit Schmutz? In der Bibel stand nichts davon, dass der Herr schmutzig sei. War Agonistes doch kein heiliger Verkünder von Gottes Wort, sondern einfach nur ein Verrückter?
    Das Eintreffen weiterer Wachen unterbrach den Gedankengang des Königs. In ihrer Mitte befand sich eine hagere, schwarze Krähe: Olivier le Dain. Die Wachen zogen sich zurück, und die T üren zum Audienzsaal wurden geschlossen. Unter Verbeugungen näherte sich le Dain vorsichtig dem König und blieb dann zu Füßen des Thronpodests stehen.
    »Nun?« Der König klang gereizt. Das war gefährlich.
    Le Dain schluckte. »Wir haben es gefunden, Euer Majestät.« Vom Basiliskenblick des Königs getroffen, sank le Dain rasch auf die Knie nieder.
    »Und?«
    »Ich habe es in den Palast bringen lassen. Die Mutter ebenfalls.«
    »Sehr gut.« Louis winkte, was le Dain als Befehl auffasste. Er erhob sich und durchmaß in erstaunlicher Geschwindigkeit rückwärtsgehend die ganze Länge des riesigen Saals, wobei er sich von Zeit zu Zeit so tief verbeugte, dass sein Scheitel fast den Boden berührte. Ein belustigtes Lächeln verzerrte die runzligen Gesichtszüge des Königs, als er den Abgang von le Dain beobachtete. Er lächelte selten, und ganz sicher nicht über le Dain.
    Der Barbier schluckte die Galle hinunter, die ihm vor Angst in die Kehle gestiegen war. Dieses schreckliche Lächeln! Hastig stieß er eine der großen Türflügel auf, als wöge sie nicht mehr als ein Vorhang aus Gaze. »Schafft sie her!«, bellte der Barbier und bemerkte befriedigt die Angst auf den Gesichtern der Höflinge im Vorzimmer. Abglanz von Macht wie auch Abglanz von Ruhm konnten denjenigen, der nicht aufpasste, versengen.
    Unter den Höflingen hob ein Stimmengemurmel an, und dann teilte sich die Menge wie durch Zauberhand, um ein kleines, verängstigtes Mädchen mit einem großen Korb durchzulassen.
    Die Höflinge schlossen dicht hinter ihr auf, als sie, eingekeilt von Wachen, die viel größer waren als sie, weiterging. Sie war sittsam in einen hoch geschnittenen Wollkittel gekleidet und trug die weiße Leinenhaube der verheirateten Frauen. Als sie näher zu le Dain kam, sah dieser, dass sie nicht so jung war, wie sie von fern gewirkt hatte. Sie war bestimmt schon sechzehn oder siebzehn, wenn sie auch für ihr Alter recht klein war. Dies also war die Mutter des Ungeheuers.
    »Zeigt es mir.« Le Dain klang genauso unnahbar wie der König - den Herrn nachahmen war eine Fertigkeit, die er schon früh bei Hof erworben hatte -, und das Mädchen erbleichte. Mit bebenden Händen stellte sie den Korb auf den Boden und zog die kleine Decke weg, die

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