Der Triumph der Heilerin.indd
Tochter.
Die Königin wälzte ihren prallen Leib mühsam in eine aufrechte Position, als sie ihre Mutter kommen hörte. Sie lag auf einem schmalen Bett in einem schmalen Zimmer - der Privatzelle des Abts -, und die Matratze war dünn und klumpig, als sei sie mit Eicheln gefüllt. Als sie noch eine arme Witwe aus Lancaster war, hatte sie schon auf schlechterer Bettstatt geschlafen, aber das war sehr lange her. Jetzt litt die entthronte Königin von England unter Ängsten. Sollte das alles sein, was ihr blieb? Sollte der Rest ihres Lebens so unbequem und trüb aussehen? So hoffnungslos?
»Mutter, wo bist du? Ich kann dich nicht sehen. Ich habe Angst!«
»Nun, nun, mein Kind, alles ist gut. Ich bin hier.«
Elizabeth streckte ihre Hand aus und klammerte sich an die Hand ihrer Mutter. Jacquetta stöhnte vor Schmerzen auf. Die Gicht in ihren Fingern war in der kalten Jahreszeit eine einzige Qual. Plötzlich wimmerte die Königin und schlug die Hände vors Gesicht, Tränen quollen zwischen ihren ringlosen Fingern hervor. »Das Baby ... das sind die Wehen. Er will auf die Welt kommen, aber ich werde sterben, und er wird auch sterben, und der König wird seinen Sohn nie sehen.«
Die Herzogin hörte die Panik in der Stimme ihrer Tochter, aber um diese Zeit waren keine Hofdamen zur Stelle, die sie mit ihrem Schnattern beschwichtigen konnten. Jacquetta hielt ihre Kerze in die Höhe. »Schau mich an, Elizabeth!«
Jacquettas Stimme klang hart und erschreckte die Königin. Sie schluckte ihre Tränen hinunter und fragte mit bebender Stimme: »Warum seid Ihr nicht freundlicher zu mir, Mutter?«
Jacquettas Verärgerung über ihre schwierige Tochter verebbte. Einst war sie ein bezauberndes kleines Mädchen gewesen, ein Kind, das viel lachte und ihrer Mutter entzückende Küsschen gab. Manchmal, wie auch jetzt, blitzte aus den Augen der erwachsenen Frau die Verletzlichkeit des kleinen Mädchens von einst. Jacquetta seufzte und kauerte sich neben ihre Tochter.
»Weil das weder dir noch mir etwas hilft, und auch dem Baby nicht. Komm, ich helfe dir beim Einschlafen. Du brauchst Kraft für das, was kommt. Erinnerst du dich daran, was ich dir beigebracht habe? Konzentriere dich ... hier, schau auf die Flamme, schau genau hin, wie sie sich bewegt.«
Die Königin zog fahrig eine geflickte Decke um die kalten Schultern und tat schniefend wie ihr geheißen. Im Dunkeln wurden ihre Pupillen übergroß, so groß, dass das Blau der Iris in ihrem Schwarz fast ertrank und das Flackern der Kerze sich in ihren Tiefen widerspiegelte.
»Ja, so ist es gut, Tochter. Sehr gut. Und jetzt hörst du mir zu und wiederholst, was ich sage.«
»Wiederhole, was du sagst.«
Jacquetta lächelte. »Gut, sehr gut. Schau in die Flamme, schau immer in die Flamme. Dem Baby geht es gut, und mir geht es auch gut .«
»Dem Baby geht es gut, und mir geht es auch gut ...«
»Für die Geburt ist noch Zeit, ich kann jetzt schlafen ...«
»Für die Geburt ist noch Zeit, ich kann jetzt schlafen ...«
Die Königin, deren Augen starr auf die kleine Flamme gerichtet waren, gähnte, und ihre Augenlider flatterten. Ihre Züge entspannten sich.
»Ich weiß, dass alles gut wird ...«
»Ich weiß, dass alles gut ...«
Elizabeth Wydeville seufzte und schlief bei den letzten Worten ein, die eine Hand schützend über ihren Leib gelegt.
Jacquetta sah auf ihre Tochter hinab und atmete erleichtert aus. Jedes beschwerliche Lebensjahr hatte seine Spuren auf ihrem Gesicht hinterlassen, aber einst war sie so schön wie die Königin gewesen. Schönheit konnte nützlich, aber auch gefährlich sein. Zärtlich schob sie Elizabeths Hand unter die Decke.
»Alles wird gut, meine Tochter.«
Die Herzogin sah zu dem schmucklosen Betstuhl des Abts hinüber, der in einer Ecke des Zimmers stand. Sie widerstand dem Wunsch, sich hinzuknien und um Hilfe und Ermutigung zu beten. In solch freudlosen Zeiten, wenn der Feind durch die Straßen der Hauptstadt zog und man fast allein auf der Welt war, war es schwer, überhaupt an einen Gott zu glauben.
Ein ketzerischer Gedanke. Und das in der Zelle des Abts. Diese Sünde würde sie bitter büßen müssen.
Ängstlich zerrte Jacquetta an der Kette um ihren Hals und zog das Kruzifix hervor. Sie küsste den Leib Christi, kniete am Bett ihrer Tochter nieder und betete zu einem Gott, an den sie nicht glaubte. Sie bat ihn um Trost und Hilfe, etwas, das sie zeit ihres Lebens nie wirklich hatte erfahren dürfen. Als selbst auferlegte Buße beschloss sie,
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