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Der Triumph der Heilerin.indd

Titel: Der Triumph der Heilerin.indd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Gerücht streifte durch das zugige, alte Schloss: Ein berittener Bote sei gekommen und würde gerade, erschöpft wie er war, eine Audienz beim König erhalten. Vielleicht brachte er Nachrichten, die den König auf andere Gedanken bringen und seine Missstimmung zerstreuen würden. So hofften die Höflinge. Waren die Nachrichten gut, würde der König vielleicht Komödianten bestellen, die sie alle aufheiterten. Aber heitere Gedanken lagen nicht in Louis' Natur, und an diesem Tag war noch nichts geschehen, was seine pessimistische Grundstimmung hätte erschüttern können. Er schob seine lange Unterlippe hervor und schniefte. Vom Qualm des eigensinnigen Feuers tränten seine Augen, und sein Blick war getrübt, als er den Mann betrachtete, der vor ihm stand.
    »Genug!«, herrschte er die Dienerschar an, die sich mit zunehmender Panik am Feuer zu schaffen machte. »Ich werde diese Audienz abhalten und danach dinieren. Wenn ich in dieses Zimmer zurückkomme, wird das Feuer brennen. Aber ordentlich. Und nun verschwindet!«
    Es war wie ein Wunder, wirklich. Bei einem bestimmten Ton stoben die Menschen auseinander wie Blätter im Wind. Diese Wirkung hatte für Louis etwas Befriedigendes, selbst noch nach neun Jahren Herrschaft. Eigentlich seltsam, dass schon unbedeutende Worte aus seinem Mund so ernst genommen wurden.
    Man lief leicht Gefahr, dies für selbstverständlich zu nehmen. Aber wenn man an das Schicksal anderer dachte - Edward Plantagenets, zum Beispiel, oder seines eigenen Vaters -, dann wusste man, dass auch die Mächtigen, sogar ein König, fallen konnten. Man musste allzeit vor Verrätern auf der Hut sein. Das war mühsam, aber notwendig.
    Louis drehte sich zu den spärlichen Flammen im Kamin um und rieb sich die Hände in der dürftigen Wärme. »Sprecht, Mann. Was habt Ihr mir zu berichten?«
    Der Bote, Riccard von Polignac, war von dem langen, eisigen Ritt bis auf die Knochen erschöpft. Als er nun vor den König geführt wurde, sickerte das Entsetzen über seinen Rücken bis hinab zu seinem zuckenden Schließmuskel. Seine Beine verwandelten sich in knochenlose Fleischwülste. Sein Herzschlag dröhnte in den Ohren, und er sehnte sich nach dem Augenblick, wo er der königlichen Gegenwart entkommen und sich in die Anonymität des Pariser Garderegiments zurückziehen könnte. Falls er die Nachrichten, die er überbringen musste, überhaupt überlebte.
    »Sire, der Erfolg Eures Feldzugs in Picardy und Maconais ist unübertroffen. Eure Truppen sind an den Grenzen Burgunds zusammengezogen und erwarten Euren Befehl, um loszuschlagen. Doch ich habe wichtige Neuigkeiten, das Schicksal des ehemaligen Königs von England betreffend.«
    Während der Mann berichtete, atmete Louis, um seine Anspannung zu verbergen, so tief ein, dass sich seine Lungen mit Qualm füllten. Einen Augenblick lang konnte er nicht sprechen. Sein Gesicht wurde puterrot, Schweiß perlte auf seiner Stirn, und er rang nach frischer Luft.
    Ohne zu überlegen, machte Riccard einen Satz nach vorn und klopfte den König beherzt auf den Rücken. Beide Männer waren starr vor Schreck und starrten einander entsetzt an. Der Bote hatte gegen die geweihte Person des Monarchen die Hand erhoben. Für diese Unverschämtheit konnte ihn ein qualvoller, langsamer Tod erwarten.
    Riccard, der sofort die Schwere seines Vergehens begriff, warf sich zu Boden, raufte sich die Haare und blickte wild um sich. »Ach, Sire, verzeiht mir! Ich flehe Euch an, verzeiht mir!« Er schlug mit der Stirn so hart auf den Boden, dass auf dem Kalkstein ein blutiger Fleck zurückblieb.
    Der König kam wieder zu Atem und staunte über die Absurdität des Geschehens. Natürlich war er zusammengezuckt, als der Bursche auf ihn zustürzte - er hätte ein Meuchelmörder sein können. Doch als sein hämmerndes Herz wieder ruhiger wurde, war er froh über die Hilfe des Boten, hatte doch die Angst seine Brust so zusammengepresst, dass der Qualm entwichen war.
    »Steh auf. Steh auf, du Narr!«
    Riccard, noch ganz benommen, erhob sich, stolperte und suchte Halt am Saum eines Wandteppichs. Mit einem ächzendes Geräusch löste sich der morsche Gobelin aus seiner Befestigung, und dann war der Bote vollständig von Moses, das Rote Meer teilend verhüllt. Zu des Königs Füßen lag ein keuchender, zuckender Haufen Torheit.
    »Wie lautet die Botschaft?«, kreischte der König. »Sprich, oder ich schwöre, dass du deinen Vorfahren bald Gesellschaft leisten wirst in dem Schweinestall, in dem sie

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