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Der Triumph der Heilerin.indd

Titel: Der Triumph der Heilerin.indd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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aufgeschichteten Glutstücke im Küchenfeuer flackerten nicht mehr, wenn auch dann und wann die Asche aufglühte, wenn die Nachtluft seufzend durch den Schlund des Kamins entwich.
    Stunde um Stunde stieg der Mond am Himmel empor, und zur dunkelsten Zeit der Nacht, als er seinen langsamen Abstieg begann, stahlen sich zwei Gestalten aus der Hintertür des Gehöfts und bewegten sich lautlos wie Schatten über den Hof und am Winterstall mit dem schlafenden Vieh vorbei. So sachte traten sie auf, dass nicht einmal die Gänse aufwachten und auch der Hirte nicht, der die Kühe zum Melken von den Weiden hereintrieb. Er schlief friedlich vor dem Küchenherd, Lisotte hatte es ihm erlaubt, weil die Nächte so kalt waren.
    Als der Wind nachließ, machte sich der Frost bemerkbar. Den beiden Frauen wurde das Gehen dadurch leichter, denn der Lehm auf den gepflügten Feldern wurde mit zunehmender Kälte härter. Sie eilten, so schnell sie konnten, auf den fernen Fluss zu, der das Anwesen begrenzte. Wenn sie sich anstrengten, konnten sie ihr Ziel erkennen - die Umrisse des Hügels mit den fast kahlen Bäumen, die ihre Äste gen Himmel reckten.
    »Hast du es wirklich dabei?«
    »Aber ja, Deborah. Natürlich.«
    Anne und ihre Ziehmutter erreichten den Rand des Ackers und kamen zu dem Durchlass in der den Hügel begrenzenden Weißdornhecke. Das fahle Licht der letzten Sterne reichte gerade aus, damit sie den Pfad vor sich erkennen konnten, der sich um ihren kleinen Hügel bis ganz hinauf zu den uralten Eichen wand.
    Deborah hatte als Erste die Bedeutung dieses Pfades erkannt: ein uralter Weg, der von der Vorderseite des Hügels spiralförmig direkt bis in das Herz des Eichenwäldchens führte. Diese Entdeckung war für Anne das entscheidende Omen gewesen, sich für den Kauf des Hofs zu entschließen. Die Leute aus der Gegend erzählten sich, der Hügel sei nicht von Gott, sondern vor langer, langer Zeit von Menschenhand geschaffen worden. Er könnte sogar das Grab eines Königs gewesen sein. Deborah und Anne zweifelten nicht an dieser Legende, als sie den überwucherten Pfad sahen, der sich den Hügel hinaufwand.
    Dieser Ort hatte mancherlei gesehen in seiner langen Vergangenheit, die bis weit vor die Gründung der Stadt Brügge zurückreichte, wie Deborah glaubte. Die Frauen hatten nichts unternommen, um den Pfad oder den Hügel auszulichten - niemand sollte erfahren, dass sie hierherkamen. Der Ort war für sie zur Kirche geworden.
    Leise eilten sie nun den geschlängelten Pfad entlang, bis die Dunkelheit der Bäume sie verschluckte. Von Weitem war nicht zu erkennen, dass die beiden diesen Weg eingeschlagen hatten. Doch dann erhob sich der Wind von Neuem und seufzte, als wüsste er etwas. Vielleicht war es aber auch die Erde.
    »Was war das?«
    Deborah fürchtete sich eigentlich nicht vor der Dunkelheit, aber einen Augenblick lang war es ihr vorgekommen, als hätte sich in den Tiefen des Eichenhains der Boden unter ihren Füßen

    »Ich habe es auch gespürt.«
    Anne hatte ein unbehagliches Gefühl. Sie nahm einen fremden Geruch wahr. Ein Sturm zog auf - war es das? Aber der Himmel war ganz klar, so klar, dass sie die untergehende Mondsichel und im Osten den aufgehenden Morgenstern sehen konnte. Sie mussten sich beeilen.
    Mit klammen Fingern nestelte Anne an dem kleinen Beutel, der an ihrem Gürtel befestigt war. »Hier ist es, Mutter.« Sie nannte Deborah nur in Augenblicken wie diesem »Mutter«, denn dann war die Verbundenheit zwischen den beiden besonders stark. Wenn ein Suchender allein in die Welt der Nacht aufbrach, musste ein anderer zurückbleiben, um den Reisenden wieder zurückzuholen. Mutter und Tochter, Tochter und Mutter - so war es seit vielen Generationen. Und so war es auch in dieser Nacht.
    »Gut. Zuerst müssen wir den Kreis aufdecken, dann können wir unseren Weg beleuchten.«
    Anne und Deborah huschten zwischen die Bäume und suchten die Steine, die sie zu einem früheren Zeitpunkt kreisförmig ausgelegt und dann mit Laub zugedeckt hatten. Es waren hauptsächlich runde, weiße Quarzsteine, vom Wasser geglättet, die sie im Lauf des Sommers in mühsamer Arbeit vom Fluss heraufgeschafft hatten.
    »Hilf mir, Kind.« Deborah versuchte, den größten Stein in die Mitte des Kreises zu schleppen. Er hatte etwa die Größe eines halben Frauenkörpers und war auch ebenso geformt mit Andeutungen von Armen, Beinen und Vulva und oben eine Art Gesicht mit einer Linie für die Nase und einem Schlitz für den Mund. Dieser Stein

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