Der Triumph der Heilerin.indd
Tage zu erlösen. Ein ketzerischer Gedanke! Die Geistlichen wären entsetzt, würden sie davon in der Beichte erfahren. Und doch, gerade so konnte es sein.
Ja. Gott war barmherzig, denn das Letzte, was Edward sah, bevor der Schlaf ihn übermannte, waren Bilder von Anne. Sie lachte, streckte ihre Hand nach ihm aus, küsste ihn auf den Mund. Die Schreckensbilder von Niederlagen und Demütigungen, die ihn in den vergangenen Tagen heimgesucht hatten, waren vergessen.
Kapitel 13
Leif legte ein Scheit in das Feuer, das er in Annes Arbeitszimmer entfacht hatte. Dann legte er noch ein zweites nach. Dabei hob er vorsichtig die darunterliegenden Späne an, damit Luft daran käme und die Flammen Nahrung fänden. Es war kalt in dem kleinen Zimmer, aber wenn er ordentlich anheizte, würde es schnell warm werden. Beim ersten Licht des Morgens hatte er Holz für sämtliche Feuerstellen im Haus gehackt. Wohin er auch sah auf dem Hof, überall waren halb angefangene Arbeiten für die Winterzeit. Anne brauchte mehr Männer und jemanden, der sie beaufsichtigte, sonst würde sie nur ausgenützt werden. Daran mochte er gar nicht denken. In den Tiefen seiner Seele wünschte er, dass die Herrin dieses Hauses in Wärme und Sicherheit lebte. Er schüttelte den Kopf, er machte sich etwas vor. Mochte er so viel Holz stapeln, wie er wollte, dieser Winter würde für Anne de Bohun weder warm noch sicher werden.
Anne, die unbemerkt unter der Tür stand, beobachtete Leif und musste unwillkürlich lächeln. Für einen so stattlichen Mann machte er seine Arbeit sehr gefällig, und er war stolz auf den sauberen Holzstapel, den er neben dem Kamin aufgeschichtet hatte.
»Danke für das Feuer, Leif, und für das ganze Holz, das Ihr gehackt habt. Wir werden es gut brauchen können.«
Der Seemann drehte sich überrascht um. Anne lächelte, setzte sich auf einen Stuhl und nahm den Krempelkamm zur Hand. Vor ihr in einem Korb lag ein riesiger Haufen unverspon-nener Wolle. Sie bückte sich und nahm einen Strang. »Jetzt steht wahrlich der Winter vor der Tür. Heute ist es kalt.«
Leif nickte und speiste weiter das Feuer. Aus den Augenwinkeln beobachtete er sie, wie sie die Wolle in lange Strähnen zum Spinnen teilte. Anne sah von ihrer Arbeit hoch und fing seinen Blick auf.
»Und - über Land? Oder ist der Seeweg besser? Was meint Ihr?«
Der Seemann zuckte die Achseln, dabei spannte sich der Stoff an seinen gewaltigen Schultern. »Auf dem Wasserweg ist es einfacher, wenn man von der Jahreszeit absieht. Die Alternative wäre, nun ...« Viele Tage in Wind und Wetter auf halb befestigten Pfaden und überall Wegelagerer, das hatte er sagen wollen.
»Ihr habt recht«, sagte Anne. »Der Seeweg ist besser für uns. Wann seid Ihr bereit zum Aufbruch?« Ihr Ton klang geschäftsmäßig und ganz so, als sei alles längst entschieden, was aber keineswegs so war. Die Lady Margaret , die im Hafen von Sluis lag, dem Brügge am nächsten gelegenen Seehafen, stand unter Leifs
Kommando. Aber sie war ein wertvolles Handelsschiff, über das weder Anne noch Leif verfügen konnten. Sie gehörte Sir Mathew Cuttifer, Annes Gönner und ehemaligem Arbeitgeber, und das war beiden bewusst. Schweigend starrten sie eine Weile ins Feuer.
Leif beugte sich vor und legte noch ein weiteres Scheit in die Flammen, die ohnehin schon munter prasselten. »Wir sind fast bis oben hin mit Waren beladen, die mein Herr in London erwartet. Es fehlen nur noch die letzten Ballen Damast und einige Kisten Majolika.«
Er war hin- und hergerissen zwischen seiner Pflicht gegenüber Mathew Cuttifer und seinen uneingestandenen Ängsten um diese Frau. Und wenn er an den ehemaligen König dachte, loderte er innerlich vor Zorn. Edward Plantagenet hatte keine Ahnung, es interessierte ihn überhaupt nicht, wie viele Leben er mit seinem Ehrgeiz und seiner Leichtfertigkeit aufs Spiel setzte. Auch das Leben von Anne. Das Mädchen empfand etwas für den König, das spürte Leif. Immer, wenn sie von Edward Plantagenet sprachen, senkte sie ihren Blick. Die Gerüchte waren also wahr.
Leif betrachtete Annes Profil. Sie starrte in die Flammen, und ihre Hände lagen untätig in ihrem Schoß. Er seufzte. Wenn dieses Mädchen wirklich gehen wollte, dann würde er mitgehen, Feuerholz hin oder her. Seine Stimme klang rau vor Wut, als er sagte: »Um Eure Frage zu beantworten, ich glaube, der Seeweg ist etwas günstiger. Ich tue es nicht gern, aber ich bin einverstanden, dem König zu helfen. Mein Herr ist ein Freund
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