Der Triumph der Heilerin.indd
an den Wunsch ihres Sohnes und schüttelte den Kopf. Ein blaues Pferd? Warum nicht? Wenn sie das Unmögliche möglich machen konnte, wenn sie Edward nach Brügge zum Herzog bringen konnte und das Ganze auch noch überlebte, dann sollte es ein Leichtes sein, ein blaues Pferd zu finden.
Ein stechender Schmerz in ihrer Brust nahm ihr plötzlich den Atem. Sie zitterte. Wenn ich auf dieser Reise sterbe, lass das Kind leben. Ach, Mutter aller Menschen und Dinge, bitte lass das Kind leben.
Kapitel 14
»Wann war das?«
»Vor fünf Tagen.«
»Und wo, mein lieber Freund, hat diese ach so glückliche Geburt stattgefunden?«
Philippe de Commynes spürte, wie sein Herz vor Nervosität einen qualvollen Schlag lang aussetzte. Die Welt, in der er lebte, war unberechenbar. Wie oft geschah es, dass dem Überbringer einer Nachricht die Schuld gegeben wurde, gleichgültig, wie hochgestellt er war? »In der Sakristei von Sankt Peter in Westminster, mein König. Die Königin - ich meine, die Frau des Thronräubers Edward, Graf von March - lag eine Nacht lang in den Wehen. Der Knabe wurde am Morgen des vierten Tages dieses Monats geboren. Im November«, fügte er erklärend hinzu.
Louis, König von Frankreich, sah den vor ihm knienden Mann böse an. »Ich kenne die Monatsnamen, Monsieur de Commynes. Habt Ihr Beweise?«
Philippe schwitzte. Er spürte, wie ihm der Schweiß aus den Achselhöhlen lief, obwohl es im Audienzzimmer sehr kalt war. Er schluckte und atmete tief ein, trotzdem bebte seine Stimme, als er weitersprach. »Nur die Aussage einer Zeugin, mein König. Eine der ehemaligen Zofen, die von meinem Herrn, dem Herzog, bezahlt wird.«
Louis war es ausnahmsweise einmal warm. Vielleicht war es unterdrückter Zorn, der sein Blut erhitzte. Beim Sprechen bildete sein Atem kleine Wolken. »Und weiß Euer Herr davon, Philippe? Hm?«
Der junge Monsieur de Commynes errötete, als der König ihn in so einem verschlagenen Tonfall ansprach. »Natürlich, Euer Majestät. Sonst wäre ich nicht hier.«
»Wie würdevoll, mein junger Freund. Wie rechtschaffen.«
Louis schlug die Schöße seines schweren, pelzgefütterten Umhangs um seine mageren Beine und erhob sich. Er hatte die Audienz im Thronsaal abgehalten, eine förmliche und pompöse Kulisse. Der Thron selbst wurde ihm jedoch zunehmend unangenehm, weil dessen scharfe Kanten den Blutkreislauf hemmten und in seine mageren Beine schnitten, so dass sie sich taub anfühlten. Das ärgerte ihn. Trotzdem bedachte er den vor ihm knienden jungen Mann mit einem frostigen Lächeln. Philippe hat Glück, dass ich ihn mag, dachte er.
»Ich habe eine Botschaft für Euren Herzog, Philippe. Sagt ihm, dass ich bereits vor zwei Tagen erfahren habe, dass Edward Plantagenet einen Sohn hat. Und im Gegensatz zu Eurem
Herrn habe ich Beweise, dass das Gerücht der Wahrheit entspricht.«
Louis zog einen löchrigen Handschuh von seiner runzligen Hand und streifte einen Ring vom kleinen Finger.
»Seht her! Dieser Ring stammt von Elizabeth Wydeville persönlich. Sie schickte ihn direkt nach der Geburt mit einer Botschaft an ihren Mann. Aber ich besitze den Ring und auch die Botschaft. Und den Boten. Und daher weiß ich auch, wo Edward Plantagenet sich versteckt hält.«
Der König zeigte unverhohlen seine Verachtung und spuckte seinen letzten Worte aus. Was für eine dumme Reaktion, dachte Philippe de Commynes. Sollte Louis Edward Plantagenet etwa unterschätzen? Philippe war von seinen verräterischen Gedanken selbst überrascht und vergaß für einen Moment seine Angst. Plötzlich sah er den König mit anderen Augen.
Louis gab eine erbärmliche Figur ab. Das Gesicht war von Flechten und rötlichen Verdickungen übersät, der Leib thronte wie ein Apfel auf den dürren Beinen und sah aus wie eine Tonne mit Dauben aus Fett, und die Arme waren dünn wie Stecken. Und dann noch dieser krumme Rücken, aus dem Kopf und Hals wie bei einer Schildkröte herausragten. Während Philippe darauf wartete, dass Louis weitersprach, überkam ihn eine verräterische Vorstellung. Dieser König war eine Spinne, eine fette Spinne, die vor übler Laune fast platzte und die ihr Gift verspritzte, sobald jemand in ihren Leib stach ...
Ein Geräusch wie von einem kotzenden Hund riss Philippe aus seinen Gedanken. Der König spie auf die glänzenden Fliesen des Audienzsaals. Dann sammelte er noch einmal Schleim und spie wieder aus. Ein schmallippiges Lächeln verzerrte sein Gesicht. »Sagt Eurem Herrn, Philippe, das seine
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