Der Triumph der Heilerin.indd
von Edward Plantagenet, und Freunde sind diesem nur wenige geblieben. Dafür hat Graf Warwick gesorgt.«
Mit einem Mal tropften Tränen auf die Spindel in Annes Fingern. Ihr Stimme bebte, und sie atmete schwer.
»Ihr seid ein guter Mensch, Leif Molnar. Ich bin sehr dankbar für Eure Hilfe.« Unbewusst hatte sie »ich« gesagt, wo sie doch »wir« hätte sagen sollen. Verlegen ließ Anne die Spindel fallen und eilte hinaus. Es war nicht das erste Mal, dass sie das Gewissen quälte und sie dachte, wenn Edward nicht wäre, dann könnte dieser Mann, dieser gute Mensch, ihr mehr bedeuten. Sie mochte ihn, und manche sagten, mehr brauchte es nicht. Und Anne de Bohun wusste, wusste besser als Leif, dass sie nur die Hand auszustrecken brauchte, und Leif würde sie ergreifen und nicht mehr loslassen. Nie mehr.
Sie schüttelte den Kopf und verscheuchte diese Gedanken. Das Bild eines geborgenen, glücklichen Heims und eines richtigen Vaters für ihren Sohn wollte sie gar nicht erst entstehen lassen, nicht einmal für einen kurzen Moment. Sie hatte in ihrem Leben schon zu viel Gefühlsaufruhr erlebt, sie brauchte nicht noch mehr davon.
Wenn Leif einmal sein Wort gegeben hatte, dann gab es für ihn nichts anderes mehr. Seitdem er Cuttifers Handelsschiff zur Unterstützung von Edward Plantagenet angeboten hatte, schuftete der Däne wie ein Sklave, um in Sluis genügend Lagerraum zu finden, wo er die Fracht seines Herrn zwischenlagern konnte. Er hatte zwar das Schiff zur Verfügung gestellt, wollte aber bei den Waren kein Risiko eingehen. Das war keine leichte Aufgabe. In den Lagerhäusern häuften sich die Handelsgüter aus Brügge und warteten darauf, im Frühjahr verschifft zu werden. Lagerraum war teuer und schwer zu finden. Außerdem musste Leif neue Fracht suchen und kaufen, um als Tarnung für die Reise den Laderaum zu füllen.
Schließlich wurde der Bauch der Lady Margaret mit Tuchballen aus Annes eigenen Vorräten gefüllt und mit Fässern aus Weidenholz voll guter, weißer Butter von der Riverstead Farm. Die Hafenarbeiter in Sluis staunten nicht schlecht, dass Butter und Wolltuch nach Norden in andere niederländische Provinzen verschifft werden sollten, besaßen diese doch selbst über-reichlich davon. Doch der Kapitän der Lady Margaret ließ sich von ihren Scherzen nicht irre machen. Er biss die Zähne zusammen und trieb sie zur Eile an. Er versprach ihnen sogar eine extra Portion Gruuthuse-Bier, wenn sie die Fracht bis zum Abend ver laden hätten.
An einem kalten, trüben Novembermorgen lief das kleine Schiff an den Wellenbrechern des Hafens von Sluis vorbei. Es war ein trauriger Abschied gewesen. Anne stand mit rot geweinten Augen an Deck. Sie hatte ihre Tränen zurückhalten können, bis sie sich von ihrem Sohn verabschiedet hatte, der bei Deborah in sicherer Obhut blieb. Trotz ihres mühsamen Lächelns und ihrer beruhigenden Worte hatte der kleine Knabe irgendwie begriffen, dass Anne für lange Zeit fortbleiben würde. »Geh nicht fort. Nein. Bleib hier!« Er hatte geweint, als sie ihn am Vorabend der Abreise in ihrem eigenen Schlafzimmer zu Bett gebracht hatte. Sie liebte ihn für diesen kurz aufflackernden Trotz, hatte ihm aber mit elterlicher Vernunft geantwortet.
»Aber du darfst hier in meinem großen Bett bei Deborah schlafen, bis ich zurückkomme. Das wird bestimmt herrlich, mein Liebling.«
»Nein. Bleib bei Edward. Bleib hier!« Sein Schluchzen brachte sie zum Wanken.
»Aber, aber, mein Schatz, nicht weinen. Ich bringe dir auch ein ganz besonderes Geschenk von der Reise mit.«
Bei diesen Worten hatte der Kleine sich etwas beruhigt. Er liebte Geschenke über alles. »Ich will ein blaues Pferd.« Das sagte er sehr bestimmt und sah sie dabei aus verweinten Augen an. »Ein riesiges, blaues Pferd. Ganz für mich allein. Ich bin jetzt ein großer Junge.«
»Ein blaues Pferd? Nun gut.«
Die Tränen lösten sich in Schluchzen auf. »Wirklich? Ein richtig blaues Pferd? Woher kriegst du das?«
»Ich habe sehr kluge Freunde. Wir werden dein Pferd schon finden. Wie soll es denn heißen?«
Edward gähnte und kuschelte sich unter die Bettdecke. »Ach, ich weiß noch nicht. Einen ganz besonderen Namen soll es haben.« Das sagte er sehr stolz, und gleichzeitig fielen ihm die Augen zu. Anne saß die ganze Nacht neben ihm und streichelte seine hohe, klare Stirn. Das Herz wollte ihr zerspringen. Vielleicht würde sie dieses Kind nie mehr wiedersehen.
Die Wellen klatschten gegen das Schiff. Anne dachte lächelnd
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