Der Triumph der Heilerin.indd
ein
Finger. Für die Rippen kann ich nicht viel tun, außer ihre Brust einbinden. Aber sie muss ganz still liegen, so lange sie heilen. Auch den Finger kann ich verbinden, damit er wieder gerade zusammenwächst. Dann müssen wir die Wunde am Kopf säubern und den Hautlappen wieder richtig annähen. Die Dame« - bei diesem Wort zögerte er kurz - »ist jung und gesund, Majestät. Es besteht durchaus Grund zur Hoffnung, denn ich kann keinen Bruch des Schädelknochens feststellen. Das war meine Hauptsorge.«
Edward setzte sich plötzlich auf die Truhe neben dem Bett. Er war bleich und schwitzte. Mühsam stammelte er: »Sie wird doch nicht sterben, Master?«
»Ich habe eine heikle Aufgabe vor mir, aber nein, ich glaube nicht, dass sie sterben wird.« Bevor er weitersprechen konnte, kam Gudrun mit einem Ledereimer voll dampfenden Wassers in der einen und einem irdenen Krug in der anderen Hand zurück. Verlegen machte sie vor Louis de Gruuthuse einen Knicks. »Honig, Mijnheer, und gekochtes Wasser? Hawise sagte ...«
Der Doktor runzelte die Stirn. »Und Spinnweben? Ich brauche Spinnweben!«
Das Mädchen sah ihn verständnislos an. Verärgert bedeutete er ihr, die Sachen auf die Truhe neben den König zu stellen. »Wenn du keine Spinnweben hast, müssen wir uns eben anders helfen. Reiße eins dieser dünnen Leintücher in schmale Streifen, aber spute dich, Mädchen - und pass auf, dass sie nicht zu lang werden. Wenn deine Freundin wiederkommt, werdet ihr, sobald ich es euch sage, die Streifen in Honig tränken. Hast du verstanden?«
Gudrun nickte folgsam, auch wenn sie dachte, der Mann sei verrückt. Spinnweben? Honig? Auf Verbände? Wozu das alles? Da sie aber noch jung war und nicht so keck wie Hawise, hielt sie den Mund und tat wie ihr geheißen.
»Majestät und Ihr, Lord Louis, ich werde gleich auch Eure Hilfe brauchen.« Der Doktor untersuchte noch einmal genau die Wunde am Kopf. Diesmal benutzte er eine Kerze, denn das Zimmer war bis auf das Kaminfeuer dunkel. »Und mehr Kerzen, schnell, damit ich besser sehen kann!«
Louis ging zur Tür, vor der eine kleine Gruppe von Männern Wache hielt. Auch Leif Molnar war da, der vor Sorge immer wütender wurde.
»Du da! Geh in die Küche und hol Kerzen. Schnell. So viele, wie du tragen kannst.« Einer der Wachmänner verneigte sich und eilte davon.
Leif sah Louis geradewegs in die Augen. »Wie geht es meiner Frau, Mijnheer?« Er sprach ruhig und deutlich, und Edward drinnen im Zimmer hörte ihn. Alles Blut wich aus seinem Gesicht. Anne war verheiratet?
Auch Louis de Gruuthuse war überrascht. Bei der ganzen Aufregung hatte er noch keine Zeit gehabt, Fragen zu stellen, seitdem der König mit dem schmutzigen, blutverschmierten Mädchen in den Armen in den Binnenhof gekommen war und der Herzog von Gloucester um Hilfe gerufen hatte. Aber es war nicht zu übersehen, dass diese Frau, die hier ohnmächtig im drittbesten Schlafzimmer des Schlosses lag, für den König sehr wichtig war. Edwards Augen und Miene drückten einen quälenden Schmerz aus.
Edward ging zur Zimmertür und sah sich den Mann an, der behauptete, Annes Gemahl zu sein. Leif Molnar starrte ihn unversöhnlich und voller Misstrauen an. Im ersten Augenblick war der König eingeschüchtert. In den Augen seines Rivalen glitzerte ein Funkeln, das hatte er genau gesehen, als dieser sich auf der Straße zu ihm umgedreht hatte.
»Ihr seid ihr Gemahl?«
Leif nickte, ohne sich jedoch zu verneigen. Er wusste nun mit absoluter Sicherheit, dass er diesen Mann hasste. Weder der König noch die Pflicht gegenüber seinem Herrn, noch das Schicksal Englands hatten für Leif Molnar noch Bedeutung.
»Ich möchte meine Frau sehen.« Keine Spur von Ehrerbietung, kein Bitten.
Edward stand stumm da, als der Nordländer an ihm vorbeiging. Er hatte richtig vermutet, sie waren gleich groß.
Im Zimmer war es still, nur das Feuer zischte und knisterte. Der Doktor ging leise seiner Arbeit nach und wusch die letzten Spuren von Blut von Annes Gesicht. Leifs Gesicht war unbeweglich wie eine Maske, als er zu dem geschnitzten Bett trat, in dem Anne lag. Einen qualvollen Augenblick lang dachte er, einen Leichnam zu erblicken, aber dann hob und senkte sich ihre Brust kaum wahrnehmbar, und sie öffnete ihre Augen.
»Leif?« Es gelang ihr, seinen Namen auszusprechen und sogar zu lächeln, auch wenn sie unter Schmerzen schluckte. »Gebt Edward, wofür wir gekommen sind«, flüsterte sie. Dann flatterten ihre Lider, ihre Augen fielen zu, und
Weitere Kostenlose Bücher