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Der Triumph der Heilerin.indd

Titel: Der Triumph der Heilerin.indd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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da rief. Aber sie bekam keine Antwort. Und dann spürte sie eine
    Bewegung ganz dicht bei ihr. Es überlief sie kalt, und obwohl sie nichts, aber auch gar nichts sehen konnte, stand sie taumelnd auf und versuchte wegzurennen, weg von diesem Geräusch, von diesem trockenen, aufdringlichen Rascheln, das sich in der Dunkelheit auf sie zubewegte. Aber ihre Beine, ihre Füße waren bleischwer, sie kam keinen Schritt vorwärts.
    Mit all ihren Sinnen versuchte sie zu verstehen, was mit ihr geschah. Dann berührte sie etwas an der Wange, leicht wie eine Feder. Es war weich und roch nach Staub, irgendwie süßlich. Und da begriff sie endlich. Ein Totengewand - das war es, was sie auf ihrer Haut spürte. Sie konnte es nicht sehen, aber sie hatte eine genaue Vorstellung davon: ein blasses, fein gesponnenes Tuch gefüllt mit einem Haufen Staub. Dem Staub der Toten.
    Sie wollte schreien, aber da wischte etwas über ihren Hals, und sie brachte keinen Ton heraus.
    Schau.
    Das war keine Stimme, aber ein Licht erschien in der Dunkelheit, und Anne sah, was es war. Eine geisterhafte Hand, deren Fingerspitzen in Flammen standen.
    Sieh.
    Die brennende Hand winkte sie zu sich, einmal, zweimal und dann ein drittes Mal. Anne fühlte sich zu der Hand hingezogen, und ihre Beine zuckten, als wollten sie aus eigenem Antrieb laufen. Sie wollte diesem flackernden, nach Schwefel stinkenden Ding nicht nahe kommen. Trotzdem ging sie immer näher darauf zu. Die Hand winkte, winkte sie zu sich. Jetzt konnte sie die brennenden, qualmenden Finger riechen. Wie ein Ferkel auf dem Spieß, wie Schweinefleisch rochen sie.
    Anne wurde übel, und ihr Mund füllte sich mit Erbrochenem. Sie stolperte und stürzte beinahe. Sie wollte stehen bleiben, aber ihr Beine gehorchten ihr nicht. Die Hand knisterte, vor ihren Augen verbrannten die Finger. Sie spürte die Hitze in ihrem Gesicht. Und dann bestand die Hand nur noch aus Knochen, die mit schwarzglänzenden Sehnensträngen zusammengehalten wurden. Dann brannten auch die Knochen wie ein Reisigbündel, sie zerbarsten und platzten.
    Übrig blieb nur ein Rauchfaden, der sich spiralförmig durch den Raum bewegte und auf sie zeigte. Sei gewarnt. Dann war der Spuk verschwunden, das Feuer gelöscht. Anne konnte aber immer noch den Gestank von verbranntem Fleisch riechen.
    »Wieso gewarnt? Ich habe doch keine Angst vor dir, Anne.« Edward lag im Heu und wartete heiter und gelassen darauf, dass sie zu ihm käme. Anne sank auf seiner Brust zusammen, als ob ihre eigenen Knochen von Flammen verzehrt worden wären. Ihr Herz hämmerte schmerzhaft gegen ihre Rippen, sie atmete schwer. Aber sie war dankbar, so dankbar, dass sie aus dem Dunkel herausgefunden hatte. Sie konnte nicht sprechen.
    »Sag, mein Schatz, wovor soll ich gewarnt werden? Davor?« Seine Hand glitt unter ihr Mieder und fand ihre Brüste. »Du verbrennst mich, Anne«, flüsterte er in ihre Halsbeuge. »Meine Hand verbrennt, wenn ich dich berühre.«
    Sie erschrak über seine Worte, hörte sich aber sagen: »Oh, mein Geliebter.« Ihr Mund sprach aus, was sie fühlte.
    »Wir werden das gemeinsam durchstehen. Karl wird uns helfen, weil er uns helfen muss. Und wenn alles vorüber ist, dann kommst du mit mir nach England. Für immer. Versprich mir das. Ich möchte dein Ehrenwort. Und keine Ausflüchte.« Edward hatte ihr Gesicht zärtlich in beide Hände genommen und sah sie an. Leise fuhr er fort: »Bin ich noch Euer König? Werdet Ihr mir gehorchen?«
    Ein leises Pfeifen enthob sie einer Antwort. Dann eine Stimme: »Herr? Seid Ihr da?«
    Edward legte einen Finger auf seine Lippen, gab Anne einen fordernden Kuss und ließ sie sanft wieder ins Heu gleiten.
    »Euer Majestät?«
    Edward schob sich an den Rand des Heubodens vor. »Ja, William. Ich höre Euch.« Die Scheune war sehr groß, und der Dreschboden lag ungefähr fünfzehn Fuß tiefer. Dort stand Edwards Großkämmerer und sah ziemlich zerzaust aus.
    »Majestät, Ihr müsst sofort kommen. Eine wichtige Angelegenheit.«
    »Das klingt aber geheimnisvoll, William. Doch zuerst, wisst Ihr eigentlich, wie schmutzig Ihr seid? Mein Kämmerer sieht aus wie ein Bauer.«
    William sah auf seine schmutzigen Stiefel und seine lehmverschmierten Hosen hinab. Der König hatte recht. Etwas ratlos klopfte er sein Lederwams ab, Staub wirbelte auf. Edward kletterte währenddessen die Leiter hinunter, ließ sich dabei aber aufreizend viel Zeit.
    »Habt Ihr Lady Anne heute Morgen schon gesehen, William? Ist ihre Anwesenheit bei

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