Der Triumph der Heilerin.indd
von Eurer - Abreise - überbringen lassen. Ich habe sie erst vor kurzem erhalten. Den Unfall erwähnte er allerdings nicht.«
»Aber die wichtigste Frage istjetzt, Euer Gnaden, ob der Herzog bereit ist, den König zu empfangen.« Anne sprach für Edward. Es war vielleicht das Beste, das Thema direkt anzusprechen. Das hoffte sie jedenfalls.
Margaret sah sie unbehaglich an, durch ein leises Klopfen an der Tür wurde sie einer Antwort enthoben.
»Herein«, rief Anne in ungewöhnlich scharfem Ton. Deborah warf ihr einen besorgten Blick zu, als sie, von Lisotte gefolgt, das Zimmer betrat. Die beiden Frauen trugen Berge von Essen auf: frisches Brot, verschiedene weiße Käse, kleine Rosinenbrötchen aus safrangelbem Teig, eingemachte Pflaumen und Quitten in Honigsirup. Davon hätte ein ganzer Trupp hungriger Bogenschützen satt werden können, ganz zu schweigen von drei Personen, die andere Sorgen hatten als das Essen. Nachdem die beiden Frauen gegangen waren, sagte Margaret, ihre Aufregung gekonnt verbergend: »Mein Gemahl, der Herzog -Euer Schwager und Freund« - sie betonte die verwandtschaftliche Beziehung zwischen Edward und Karl, um sich selbst Mut zu machen - »ist in der Tat sehr in Sorge, was Louis de Valois angeht. Aber ich bin sicher, dass der Herzog Euch sehen möchte.«
Unruhig durchmaß Edward die kleine Stube. Vor seiner Schwester blieb er stehen.
»Wirklich, Bruder. Er möchte Euch sehen, aber er muss den richtigen Zeitpunkt abpassen. Das versteht Ihr doch?«
Edward atmete so heftig, dass seine Nase bleich und spitz aus seinem Gesicht hervorragte. »Die ganzen vergangenen Wochen habe ich nichts anderes gehört. Wie wichtig es sei, den richtigen
Zeitpunkt abzupassen. Aber Karl ist ein Narr, Margaret, denn jeder Tag Aufschub bedeutet einen Tag mehr, den ich nicht in meinem Königreich bin. Er braucht mich als starken Verbündeten mit einer schlagkräftigen Armee, wenn er mit seinem Herzogtum gegen Louis de Valois bestehen will.«
Erregt sprang Margaret auf: »Das weiß ich. Und ich habe es ihm unzählige Male gesagt. Manchmal stimmt er mir zu und manchmal .«
Edward beendete den Satz für sie. »Und manchmal überlegt er sich, ob es nicht besser wäre, ein für alle Mal Frieden mit Louis zu schließen. Hinzunehmen, dass er der Schwächere ist, dass er sein Land niemals als König regieren wird. Er muss sehr verängstigt sein, wenn er sich so feig verhält.«
»Schwach? Nicht Angst oder Schwäche bestimmen sein Handeln!«, entgegnete Margaret gekränkt. »Er ist mutig, das wisst Ihr.« Edward hatte ihr den Rücken zugedreht. »Er ist kein Feigling. Er möchte nur herausfinden, was für sein Volk am besten ist. Und für Euch.«
Aufgebracht drehte sich Edward wieder zu ihr um. »Niemand hat darüber zu urteilen, was für den König von England am besten ist, außer der König selbst!«
Das aufbrausende Wesen der Plantagenets war beiden eigen, Bruder wie Schwester. Wenn sie sich als Kinder gestritten hatten, hatten beide rückhaltlos miteinander gekämpft, ohne Schonung vom anderen zu erwarten. In der Stube braute sich spürbar ein Sturm zusammen. Anne stand abrupt auf, ihre Gegenwart hielt Bruder und Schwester im Zaum.
»Bitte, Euer Majestät, hört, was Eure Schwester, die Herzogin, zu sagen hat. Sie liebt Euch innig.«
Edward schnaubte verächtlich.
Anne wandte sich an Margaret. »Herzogin, Euer Bruder ist erschöpft. Er mag der Zukunft furchtlos entgegenblicken, doch ich habe Angst. Es muss eine Lösung geben, und wir werden sie finden. Zuerst aber wollen wir gemeinsam das Brot brechen. Ich bin hungrig, und das Essen wird uns allen guttun.« Ihre Stimme war schrill vor Nervosität am Ende dieser kleinen Rede. Es erforderte viel Mut, zwischen streitenden Plantagenets zu vermitteln.
Margaret begann plötzlich zu kichern. »Was meint Ihr, Bruder? Wollt Ihr etwas essen? Das würde Euch vielleicht besänftigen!« Die letzten Worte stieß sie trotzig hervor, aber es war die Schwester, die zum Bruder sprach, nicht die Herzogin, die einen König anspricht.
»Wohl gesprochen, Schwester. Und mögen die Früchte auch Euch die Stimmung versüßen.«
Wenn Edward grinste, konnte man den Knaben erkennen, der er einst gewesen. Unverkennbar ein Lausejunge, dessen blondes Haar wirr in die Stirn fiel, dessen Hände und Füße zu groß für die noch im Wachsen begriffene, wuchtige Mannesgestalt waren, sein linkisches Lächeln und seine aufgeschürften Knie. Anne war beinahe zu Tränen gerührt, als sie ihn so
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