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Der Trost von Fremden

Titel: Der Trost von Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian McEwan
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uns damals dabei dachten. Wir müssen wohl davon gesprochen haben, aber vielleicht auch nicht. Ich erinnere mich nicht mehr. Robert fing an, mir wehzutun, wenn wir uns liebten. Nicht sehr, doch genug, daß ich laut schrie. Ich glaube, ich habe mich tüchtig gewehrt. Eines Nachts wurde ich wirklich wütend auf ihn, doch er machte einfach weiter, und ich mußte zugeben, obwohl das lange Zeit dauerte, daß es mir gefiel. Sie werden vielleicht Mühe haben, das zu verstehen. Es ist nicht der Schmerz an sich, es ist die Tatsache des Schmerzes, daß man hilflos vor ihm ist und von ihm zu einem Nichts gemacht wird. Es ist der Schmerz in einem speziellen Zusammenhang, bestraft zu werden und deshalb schuldig zu sein. Uns beiden gefiel, was passierte. Ich schämte mich vor mir selber, und noch ehe ich es begriff, wurde auch mein Schämen eine Quelle der Lust. Es war, als entdeckte ich etwas, das mein ganzes Leben lang in mir gewesen war. Ich wollte es immer mehr. Ich brauchte es. Robert fing an, mir wirklich wehzutun. Er nahm eine Peitsche. Er schlug mich mit den Fäusten, während er mich liebte. Ich war entsetzt, aber das Entsetzen und die Lust waren eins. Anstatt mir Liebesworte ins Ohr zu sagen, flüsterte er puren Haß, und obwohl mir schlecht vor Erniedrigung war, erregte es mich bis an den Rand der Besinnungslosigkeit. Ich zweifelte nicht an Roberts Haß. Das war kein Theater. Er nahm mich aus tiefer Abscheu heraus, und ich konnte nicht widerstehen. Es machte mir Spaß, bestraft zu werden.
    So ging es eine ganze Weile weiter. Mein Körper war mit blauen Flecken, Schnitten und Striemen übersät. Drei Rippen waren angeknackst. Robert schlug mir einen Zahn aus. Ich hatte einen gebrochenen Finger. Ich traute mich nicht, meine Eltern zu besuchen, und gleich als Roberts Großvater starb, zogen wir hierher. Für Roberts Freunde war ich nur eine geschlagene Ehefrau unter vielen, und genau das war ich auch. Niemand nahm davon Notiz. Robert verlieh es in den Lokalen, in denen er trinken ging, einen gewissen Status. Wenn ich lange genug allein war, oder mit gewöhnlichen Leuten ausging, die gewöhnliche Dinge taten, entsetzten mich der Wahnsinn von dem, was wir da taten, und meine eigene Ergebung in ihn. Ich sagte mir dauernd, daß ich loskommen mußte. Und dann, sobald wir wieder zusammen waren, wurde das, was wahnsinnig geschienen hatte, erneut unvermeidlich, sogar logisch. Keiner von uns konnte dem widerstehen. Sehr oft ging die Initiative von mir aus, und das machte nie Schwierigkeiten. Robert sehnte sich danach, meinen Körper zu Brei zu schlagen. Wir hatten den Punkt erreicht, auf den wir die ganze Zeit zugesteuert waren. Robert gestand mir eines Nachts, daß er eigentlich nur eines wirklich wollte. Er wollte mich töten, während wir uns liebten. Er meinte es absolut ernst. Ich entsinne mich, daß wir am nächsten Tag in ein Restaurant gingen und versuchten, es als einen Witz abzutun. Doch der Gedanke kehrte immer wieder. Und weil diese Möglichkeit über uns schwebte, liebten wir uns wie nie zuvor.
    Eines Nachts kam Robert von einem abendlichen Gelage nach Haus, als ich gerade beim Einschlafen war. Er kam ins Bett und nahm mich von hinten. Er sagte, er werde mich jetzt töten, aber das hatte er schon oft gesagt. Sein Unterarm lag um meinen Hals, und dann begann er mir ins Kreuz zu drücken. Gleichzeitig riß er mir den Kopf nach hinten. Mir wurde schwarz vor Augen von dem Schmerz, aber ich erinnere mich, wie ich noch vor dem Bewußtloswerden dachte: es ist soweit. Jetzt gibt es für mich kein Zurück mehr. Natürlich wollte ich zerstört werden.
    Mein Rücken war gebrochen, und ich lag monatelang im Krankenhaus. Ich werde jetzt nie mehr richtig gehen können, zum Teil wegen eines unfähigen Chirurgen, obwohl die anderen Spezialisten alle sagen, daß er wunderbare Arbeit geleistet hat. Sie decken sich gegenseitig. Ich kann mich nicht bücken, ich bekomme Schmerzen in den Beinen und im Hüftgelenk. Treppen hinabzusteigen, bereitet mir enorme Schwierigkeiten, und hoch komme ich sie überhaupt nicht. Ironischerweise fühle ich mich nur in einer Lage wohl: auf dem Rücken. Als ich aus dem Krankenhaus kam, hatte Robert vom Geld seines Großvaters die Bar gekauft, und sie war ein Erfolg. Diese Woche verkauft er sie an den Geschäftsführer. Als ich entlassen wurde, hatten wir uns vorgenommen, vernünftig zu sein. Das, was passiert war, hatte uns aufgerüttelt. Robert steckte seine ganze Energie in die Bar, mich behandelte ein

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