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Der Trotzkopf

Der Trotzkopf

Titel: Der Trotzkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emmy von Rhoden
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der Engländerin einen etwas ironisch lächelnden Blick zu, als wollte er sagen: Du freilich mit deinen übertriebenen, strengen Formen hast kein Verständnis für das junge, frische Wesen mit seinem natürlichen Sinn – »Ich glaube, Sie irren, meine Damen,« wandte er ein, »in unsrer kleinen Ilse steckt ein tüchtiger Kern. Lassen Sie nur erst die etwas rauhe Schale sich von demselben abgestoßen haben und Sie werden sehen, in welch ein liebenswürdiges, natürliches, echt weibliches Wesen sich die bäurische, ›brutale Ilse‹,« er betonte die letzten Worte etwas stark, »verwandeln wird. Von der Natur ist sie dazu beanlagt, glauben Sie mir. Man muß nur nicht von der kurzen Zeit, die sie bei uns verweilt, gar zu viel verlangen.« 
    Miß Lead zuckte die Achseln und machte eine abweisende Miene. Fräulein Güssow dagegen sah Doktor Althoff dankbar an. 
    »Das sage ich mit Ihnen, Herr Doktor!« stimmte sie bei. »Wir müssen Geduld haben mit unsrem wilden Vogel, der bis jetzt nur die Freiheit kannte. Fehler, die durch jahrelange, allzunachsichtige Erziehung in dem Kinde groß gezogen wurden, können unmöglich in wenigen Wochen vollständig abgestreift sein. Mir scheint, daß wir schon viel erreicht haben, wenn wir daran denken, wie wenig Arbeitstrieb Ilse mit in die Pension brachte und wie sie jetzt gewissenhaft und sogar in manchen Fächern ihre Aufgaben sehr trefflich anfertigt.« 
    Fräulein Güssows Behauptung war vollständig berechtigt. Ilse war weit strebsamer geworden, das gute Beispiel der übrigen Mädchen spornte sie mächtig an. 
    Anfangs war es ihr gleichgültig gewesen, ob man sie in die erste oder zweite Klasse brachte, als sie indes die Bemerkung machte, daß alle ihre Mitschülerinnen jünger waren, als sie, da erwachte der Ehrgeiz und zugleich ein Eifer in ihr, der sie antrieb, das Versäumte nachzuholen, zu lernen und zu arbeiten, damit sie bald in die erste Klasse komme. 
    Ihre Aufsätze besserten sich mit jedem Mal, auch nahm sie sich sehr zusammen, keine orthographischen Schnitzer mehr zu machen. Sie hatte allen Respekt vor Doktor Althoff, der stets mit einem leichten Spott dergleichen Fehler zu rügen wußte. 
    Ihr letzter Aufsatz war der beste in der Klasse gewesen. »Ein Spaziergang durch den Wald« hieß das gegebene Thema und sie hatte ihre Aufgabe in anmutiger und lebendiger Weise gelöst. Sie wurde dafür gelobt, und Doktor Althoff las ihren Aufsatz der Klasse vor, was stets als eine besondere Auszeichnung galt. Mitten im Lesen unterbrach er sich lachend. 
    »Da ist Ihnen ein ganz abscheulicher Irrtum passiert, Ilse,« sagte er, »denn ich kann mir kaum denken, daß Sie wirklich dachten, was Sie hier niederschreiben.« 
    Und er trat zu ihr und zeigte ihr die verhängnisvolle Stelle, die also lautete: 
    »Ich war eine gans, tüchtige Strecke allein gegangen.« – Sie errötete, nahm schnell eine Feder und machte aus dem s ein z. 
    »Ein andres Mal sehen Sie sich besser vor, solche Verwechselungen können höchst komisch wirken. Auch mit den Kommas, Punkten u. s. w., rate ich Ihnen weniger verschwenderisch umzugehen, oder haben Sie die Absicht, es wie jene junge Dame zu machen, die, sobald sie eine Seite zu Ende geschrieben hatte, ganz willkürlich die Zeichen hineinsetzte. Etwa zehn Kommas, sieben Ausrufungszeichen, fünf Fragezeichen und neun Punkte, wie sie gerade Lust hatte, manchmal mehr, manchmal weniger. Das gab dann zuweilen einen tollen Sinn, Sie können es sich denken.« 
    Die Mädchen lachten und Ilse mit. Ohne jede Empfindlichkeit nahm sie eine Rüge von diesem Lehrer auf, der es verstand, stets die richtige Art und Weise zu treffen. Mit liebenswürdigem Humor, in welchen er einen ernsten Tadel oftmals kleidete, richtete er weit mehr aus, wie mancher andre, der in der Aufregung sich zu zornigen Worten hinreißen ließ. 
    Aber wie schwärmten auch seine Schülerinnen für ihn! In jeder Mädchenschule giebt es gewiß einen Lehrer, der zum allgemeinen Liebling erkoren wird, in dem Institute des Fräulein Raimar hatte Doktor Althoff das Los getroffen. 
    »Er ist furchtbar reizend!« beteuerte Melanie und schlug den Blick schwärmerisch gen Himmel. »Das bezaubernde Lächeln um seinen Mund, das blitzende, geistvolle Auge, das schmale, vornehme Gesicht, das dunkle, lockige Haar! Wirklich furchtbar nett!« Die neugierige Grete hatte sogar entdeckt, daß Schwester Melanie in einem Medaillon, welches sie an der Uhr befestigt trug, ein Stückchen Papier mit seinem

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