Der Tuchhändler (German Edition)
ergehen.«
Ich schwieg verdrossen.
»Wir treffen uns morgen wieder«, erklärte ich dann. »Vielleicht geschieht heute abend noch etwas. Bleibt auf Eurem Posten.«
Er nickte, sichtlich unzufrieden, daß er sich nicht als Friedensstifter betätigen konnte. Ich klopfte ihm leicht auf die Schulter und ging. Ich sollte ihn nicht mehr lebend wiedersehen.
Ich stolperte zurück in die Altstadt, tief in Gedanken versunken. Der alte Flößer hatte in einem Punkt mehr als recht: Es war an der Zeit, ein Gespräch zu führen. Ein Gespräch mit dem Beauftragten des Richters, der die Gefangenen verhören sollte, um herauszufinden, welche Aussagen sie gemacht hatten – und sollte er noch immer nicht eingetroffen sein, mußte ich mich selbst mit den beiden Überlebenden des Überfalls auseinandersetzen. Es mochte sein, daß ich sie zum Sprechen ermuntern mußte. Ich konnte nicht behaupten, daß dieser Gedanke mich mit freudiger Erwartung erfüllte. Wenn ich ehrlich sein wollte, hatte er mich auch bisher davon abgehalten, diese Unterredung selbst zu suchen. Sie hatten nicht gesprochen, als sie verletzt und verängstigt vor den Spießen der Stadtknechte gestanden hatten; sie hatten nach zwei Nächten im Kerker nicht gesprochen, oder der Stadtkämmerer hätte es erfahren – und ich fürchtete, sie würden nun erst recht nicht sprechen. Das naheliegende Mittel, ihnen die Zungen zu lösen, aber war, es mit Gewalt zu versuchen. Das bedeutete: die Folter. Ich wand mich bei dem Gedanken daran; ich wollte nicht dafür verantwortlich sein, daß man Menschen marterte, um ihnen ein Geständnis zu entreißen. Ein anderer Teil von mir sagte roh: Was kümmert’s dich? Die Burschen wollten dir ans Leder! Aber ich konnte keine Befriedigung empfinden angesichts der Vorstellung, daß man einem Mann die Glieder gewaltsam streckte oder die Fußsohlen über glühenden Kohlen röstete. Ich hatte die Begegnung mit der Folter während meiner Zeit mit Bischof Peter immer zu vermeiden versucht. Manchmal war es mir nicht gelungen. Ich schlug den Weg zum Stadtgericht ein.
»Ich erwarte einen Beauftragten des Richters«, erklärte ich einem der Schreiber. »Er müßte aus Burghausen kommen. Ist er bereits eingetroffen?«
»Bei uns hat sich niemand gemeldet.«
Ich seufzte. Worauf wartete der Mann? Aber das Wetter war schon seit Tagen schlecht, und es brauchte nur einer der kleinen Flüsse über das Ufer getreten sein, um die Straße von Burghausen nach Landshut unpassierbar zu machen. Ich vermutete, daß der Richter in diesem Fall eine weitere Taube geschickt hätte; doch es konnte gut sein, daß sein Bote zwischen zwei Hochwassern gefangen war, die ihm sowohl den Her- als auch den Rückweg abschnitten, und der Richter ebenso uninformiert war wie wir. Nicht zuletzt konnte auch einer der herzoglichen Jäger aus Versehen eine eventuell geschickte Taube abgeschossen haben; Hanns Altdorfer hatte deutlich genug erklärt, daß die Wälder rund um Landshut von Bolzen und Pfeilen schwirrten.
Ich konnte jedoch nicht viel länger warten. Ich mußte es selbst versuchen.
»Mein Name ist Peter Bernward«, sagte ich zu dem Schreiber. »Der Stadtkämmerer und ich wurden am Montag abend von ein paar Männern überfallen. Zwei davon wurden von den Wappnern festgenommen.«
Der Mann nickte und betrachtete mich mit neuem Interesse.
»Ihr seid das«, sagte er. »Ich habe schon davon gehört.«
»Ist es möglich, mit den Gefangenen zu sprechen?« fragte ich vorsichtig.
»Die Festgenommenen sind aber nicht hier«, erklärte er.
Ich schaute ihn verblüfft an.
»Wo sind sie dann?«
»In Burghausen.«
»Warum in aller Welt habt Ihr sie nach Burghausen gebracht?«
Er sah mich einen Moment lang nachdenklich an, als wäre er erstaunt über meine Unwissenheit. Später kam mir der Gedanke, daß er selbst einen Grund zu finden suchte, weshalb man die beiden Männer nicht in Landshut eingekerkert hatte.
»Um das Gefängnis für die zu erwartenden Übertretungen während der Hochzeit freizuhalten«, sagte er schließlich.
»Wer hat das angeordnet?« rief ich laut.
»Es gibt einen Befehl vom herzoglichen Rat.«
»Seit wann?«
»Soweit ich informiert bin, gilt diese Anordnung seit der Hochzeit Herzog Ludwigs.«
Ich schloß die Augen.
»Kennt der Richter diesen Befehl?«
»Er hat zur Zeit viel um die Ohren,« erwiderte der Schreiber, als wolle er seinen Herrn verteidigen. »Weshalb? War es ein Fehler, die Gefangenen nach Burghausen zu verlegen?«
»Ich hätte dringend
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