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Der Tuchhändler (German Edition)

Der Tuchhändler (German Edition)

Titel: Der Tuchhändler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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auf der Baustelle arbeiten, anstatt die Tore zu bewachen, aber der herzogliche Hauptmann läßt sie nicht gehen. Auf der anderen Seite laufen in der Kirche jede Menge Galgenvögel herum, die besser bei den Stadtknechten aufgehoben wären, und schleppen uns die Ziegel hinterher.«
    »Das ist das Übliche«, bemerkte ich. Er hörte kaum hin.
    »Ab und zu sind auch ein paar gute Leute darunter«, fuhr er fort. »Ein Freund hat in seiner Gruppe einen jungen Kerl, der schon als Steinmetz gearbeitet hat und der sich recht geschickt anstellt.«
    »Aus deinem Mund ist das wohl ein Lob.«
    Er nickte mit unbewußter Herablassung. Wenn ich ihn ansah, wußte ich, wie ich selbst in solchen Momenten aussah; wir besaßen auf unseren unterschiedlichen Wissensgebieten beide die Arroganz des Experten.
    Dann machte er ein nachdenkliches Gesicht.
    »Allerdings ist er ein merkwürdiger Kauz«, sagte er. »In den Arbeitspausen geht er herum und fragt nach alten Geschichten oder gibt selbst welche zum besten. Sein bevorzugtes Thema ist der Bürgeraufstand in Landshut. Ich wußte gar nicht, daß einmal einer stattgefunden hat.«
    »Ich auch nicht«, sagte ich zerstreut. »Ich habe erst in den letzten Tagen etwas darüber gehört.«
    »Ich hatte noch gar nichts davon gehört. Jedenfalls, der Kerl erzählt jedem, der es hören will, wie ungnädig der damalige Herzog mit den Aufständischen umgesprungen ist. Das Blut muß ja in Strömen geflossen sein.«
    »Er spricht so über den Aufstand?« fragte ich nun doch interessiert. »Ich dachte, er sei nicht aus Landshut.«
    »Ist er auch nicht. Aber er hetzt die Leute ständig damit auf, wie ungerecht und grausam damals alles abgelaufen sei.«
    Ich beugte mich nach vorne. Plötzlich fühlte ich mich beunruhigt. »Er wiegelt die Leute auf?«
    »Es läßt sich keiner aufhetzen«, besänftigte er mich. »Die meisten lachen über ihn; aber er hat eine Art, die Geschehnisse immer wieder anzusprechen, daß unter den Gesellen selbst schon bald kein anderer Gesprächsstoff mehr möglich ist.« Er seufzte; ihm selbst war das Thema sichtlich egal.
    »Woher stammt der Kerl?« fragte ich hastig.
    Er breitete die Hände aus.
    »Woher soll ich das wissen?« sagte er. »Aus Bayern, jedenfalls. Ich selbst habe ein paar Helfer aus Italien und Polen ...«
    »Daniel«, drängte ich. »Aus welcher Stadt?«
    Seine Brauen krausten sich, und er schloß die Augen, als er nachdachte.
    »Er hat es einmal erwähnt, weil ihn jemand seiner Sprache wegen aufzog. Aber ich weiß es nicht mehr, Vater.«
    Ich holte Atem und fragte: »Kommt er aus Ingolstadt?«
    »Richtig! « rief Daniel. »Hat es etwas zu bedeuten, daß Ihr so genau nachfragt?«
    Ich antwortete ihm nicht.
    »Vater?«
    Ich sah zu Daniel und dachte: Ich darf ihn nicht hineinziehen. Es reicht, wenn sie es auf mich abgesehen haben.
    »Es hat mit etwas zu tun, an dem ich arbeite«, sagte ich unwillig. »Ich würde es bevorzugen, wenn du mich nicht weiter fragtest.«
    »Weshalb denn?«
    Ich sah ihn starr an.
    »Weil ich dich nicht belügen möchte.«
    Seine Augen weiteten sich, und sein Unterkiefer sackte herab. Ich hob die Hand, um seine nächsten Worte abzuwehren.
    »Laß uns das Thema nicht vertiefen, einverstanden?«
    Er lehnte sich zurück und machte ein verdrossenes Gesicht. Seine Stirn legte sich in Falten. In einer unbewußten Geste kreuzte er die Arme vor der Brust, aber schließlich nickte er.
    »Wenn Ihr meint...«, murmelte er unzufrieden.
    »Nur eines noch, Daniel: Kannst du mich mit dem Mann zusammenbringen?«
    »Was?« rief er erstaunt.
    »Ich muß mit ihm sprechen.«
    »Er wird nicht da sein«, sagte er verwirrt. »Heute haben alle Arbeiter frei, wie ich bereits sagte.«
    »Morgen?«
    Er zuckte mit den Schultern.
    »Sicherlich«, sagte er. »Ich muß Euch vorher nur bei Hans Stethaimer anmelden; er hat es nicht gerne, wenn er nicht in allen Einzelheiten weiß, was auf der Baustelle vorgeht.«
    »Ich komme im Laufe des Vormittags vorbei«, versprach ich. Er zuckte nochmals mit den Achseln. Für einen Moment entstand Schweigen zwischen uns, ein Schweigen, wie es sich immer wieder einmal über uns legte; aber diesmal bemerkte ich es nicht. Ich war so aufgeregt, daß ich am liebsten aufgesprungen und hin und her gelaufen wäre. Ich durfte es nicht, wenn ich Daniel nicht mißtrauisch machen wollte. Und wenn ich ihn mißtrauisch machte, konnte es sein, daß er anfing, hinter mir herzuschnuppern. Es war das letzte, was ich riskieren wollte; ich hatte das

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