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Der Tuchhändler (German Edition)

Der Tuchhändler (German Edition)

Titel: Der Tuchhändler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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drang der Lärm der Zimmerer, die die Planken und die Tribünen für das Stechen vor dem Rathaus vorbereiteten.
    Ich hörte das gedämpfte Geräusch von Schritten, als ich es gerade zum drittenmal versuchen wollte. In der Tür gab es keine Klappe, die man hätte öffnen können, um den Besucher vorab in Augenschein zu nehmen; man mußte sie einen Spaltbreit aufmachen und durch den Schlitz hinausspähen. Ich konnte mir vorstellen, wie die Wappner vorgestern nacht sofort dagegen gedrückt und denjenigen, der die Tür geöffnet hatte, in den Hausflur zurückgeschoben hatten. Ich war aufgeregt genug, um das gleiche zu versuchen, aber ich beherrschte mich. Ich starrte das verwitterte Holz der Eingangstür an; ich hatte das Gefühl, heute schärfer sehen zu können als üblich. Mein Atem ging schnell.
    Es war eine ältere Dame, die durch den Spalt herausspähte; ich hatte sie bereits in der Begleitung des alten Mannes gesehen. Sie musterte mich mit der herablassenden Distanz desjenigen, der aus einer Haustür heraus einen unbekannten Besucher ansieht und mit der Möglichkeit rechnet, dieser könne ihn im nächsten Moment anbetteln. Nach einem Augenblick erkannte ich, daß die Herablassung nur eine Maske war. Ihre Augen und ihre Hände, die sich um das Türblatt klammerten, verrieten mehr als deutlich, daß sie Angst hatte.
    »Was wollt Ihr?« Ihre Stimme klang rauh.
    Ich dachte: Vergiß nicht, daß diese Menschen versucht haben, dich umzubringen; sie haben den Flößer ermordet. Flüchtig dachte ich auch daran, daß ich vielleicht doch den jungen Löw hätte mitnehmen sollen oder Hanns Altdorfer oder einen Stadtbüttel. Ich sah der Frau in die Augen, und ihre Furcht teilte sich mir mit.
    »Ich möchte gerne mit Wolf gang Leutgeb sprechen.«
    »Herr Leutgeb ist nicht zugegen«, erwiderte sie, ohne daß ihre Anspannung nachgelassen hätte.
    Mit dieser Antwort hatte ich gerechnet. Ich schluckte trocken und sagte laut: »Wir kennen uns. Mein Name ist Peter Bernward.«
    Sie zuckte nicht mit der Wimper, als ich meinen Namen nannte. Der Blick ihrer Augen veränderte sich nicht.
    »Und?«
    »Der Name ist wichtig.«
    »Herr Leutgeb ist trotzdem nicht anwesend. Es tut mir leid«, sagte sie knapp und machte Anstalten, die Tür zu schließen. Ich drückte mit der Hand dagegen, und ihre Augen weiteten sich überrascht. Sie schob, ich drückte, dann zischte sie: »Nehmt Eure Hand weg. Was fällt Euch ein?«
    »Das ist genau wie mit den Wappnern vorgestern nacht, nicht wahr?« rief ich, und diesmal hatte ich die Genugtuung, daß sie zurückzuckte.
    »Was meint Ihr damit?« flüsterte sie. Für den Augenblick war ihr Widerstand gebrochen. Ich ließ die Hand an der Tür, aber ich war unschlüssig, wie ich weiter vorgehen sollte. Nach allem, was ich wußte, konnte es gut möglich sein, daß mir im nächsten Moment ein schwerer Stein aus einem der oberen Fenster auf den Kopf fiel. Ich versuchte nicht nach oben zu blicken.
    Dann hörte ich eine andere Stimme, die ebenso hell wie schneidend war.
    »Laß ihn herein, Agnes.« Ich kannte die Stimme.
    Die Tür öffnete sich ganz, und ich sah seine massige Gestalt im Dunkel des Hausflurs stehen. Die Treppe ins Obergeschoß schwang sich hinter ihm in die Höhe und umrahmte ihn mit dem hellen Licht aus dem Innenhof. Ich konnte sein Gesicht nicht erkennen.
    »Kommt schon«, sagte er ungeduldig.
    Ich zögerte. Links und rechts hinter der Tür konnte sich ein halbes Dutzend bewaffneter Kerle verstecken. Plötzlich hörte ich meinen Herzschlag ganz laut in meinen Ohren. Es war heller Tag, von der Altstadt war noch immer das Hämmern der Bauleute zu hören, aber der Anblick des dunklen Flurs mit dem wartenden Schatten darin löschte die alltäglichen Geräusche vollkommen aus. Wir hätten ganz alleine auf der Welt sein können, er und ich.
    Ich trat über die Schwelle und machte einen vorsichtigen Schritt ins Hausinnere hinein. Er bewegte sich nicht vom Fleck; mein Mißbehagen war dennoch so deutlich, daß ich es körperlich spürte. Auf einmal hatte ich Angst vor meinem eigenen Mut. Er stand weit hinten im Flur, so daß das Licht aus der offenen Haustür sein Gesicht nicht erreichen konnte. Ich ging noch einen Schritt weiter.
    Die Haustür fiel zu und löschte das wenige Licht beinahe vollkommen aus. Ein grober Arm packte mich um den Hals, und ich spürte die harte, kalte Berührung einer Messerspitze an meiner Kehle. Ich dachte einen panischen Moment lang: Es war doch ein Fehler!, dann fiel die Panik

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