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Der Tuchhändler (German Edition)

Der Tuchhändler (German Edition)

Titel: Der Tuchhändler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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hinaus trat. Ich war geblendet vom hellen Licht, und mit dem ersten Atemzug strömte die beißendfeuchte Nebelluft und der Geruch von Rauch und faulendem Stroh in meine Nase. Trotzdem tat ich einen tiefen Atemzug; ich hatte das Gefühl, aus einer Gruft entkommen zu sein. Die Tür fiel hinter mir zu, und ich fuhr entsetzt herum, beinahe sicher, daß die junge Frau wieder ins Haus zurückgesprungen wäre, aber sie stand neben mir und blickte auf den Boden.
    Als ich mich ihr zuwandte, bemerkte ich plötzlich den schwachen Duft nach Nelken und Südfrüchten, der von ihr ausging; mein Herz machte einen Sprung.
    »Ich mag Euer Parfüm«, murmelte ich unwillkürlich. Sie sah mich befremdet an, dann zogen sich ihre Brauen zusammen, als dachte sie, ich wolle sie auf eine besonders plumpe Art verspotten. Ich achtete nicht darauf. Dieser Duft war es, den der Wappner in dem alten Haus wahrgenommen hatte; nicht der Hauch von Jana Dlugosz’ zartem Apfelparfüm, und aus keinem besonderen Grund erfüllte mich dieser Gedanke mit Freude und Erleichterung.
    Sie machte keine Bewegung, bis ich sie zu gehen aufforderte; dann schritt sie schweigend neben mir her. Sie hielt ihr Gesicht noch immer gegen den Boden gerichtet; vielleicht, um mich nicht ansehen zu müssen, vielleicht, um nicht von anderen gesehen zu werden. Sie hatte protestiert, als ihr Vater mit mir gehen wollte: Fürchtete sie, daß man ihn in der Stadt kannte? Wahrscheinlich fürchtete sie nur, daß ich ihn zu den Stadtbehörden schleppen würde, wenn er erst einmal in meiner Gewalt war. Ich wußte noch immer nicht seinen Namen; er hieß nicht Leutgeb, soviel war sicher.
    »Wie ist Euer Name?«
    Sie schüttelte den Kopf, ohne mich anzusehen, und sagte zwischen den Zähnen: »Ich will nicht mit Euch reden.«
    Ich hatte nichts anderes erwartet, und es machte mir nichts aus. Nach und nach wurde mir bewußt, daß ich mit einer einzigen verrückten Tat so weit vorwärts gekommen war wie an all den anderen Tagen zusammen nicht. Ich schmunzelte, und meine Begleiterin hob den Kopf und sah mich für einen kurzen Augenblick an, bevor sie den Blick wieder senkte.
    Mein Knecht stand vor dem Rathaus und trat von einem Bein aufs andere, während er sich die Augen nach mir ausspähte. Ich winkte ihm über die Straße hinweg zu, und er winkte mit einer Begeisterung zurück, daß ich seine Erleichterung über die Entfernung hinweg spürte. Ich stürzte ihn in einen erneuten Kummer, als ich ihm leise mitteilte, die neue Frist würde nun eine Stunde betragen; er hatte gehofft, er könne mit mir wieder zurückkehren. Ich vergewisserte mich, daß die junge Frau nicht hören konnte, was ich mit dem Knecht vereinbarte. Sie stand abseits, als hätte sie mich einfach in der Stadt getroffen und warte nun ab, welche Verabredungen ich treffen würde, bevor ich mich wieder dem Gespräch mit ihr zuwenden würde; aber ich sah die Anspannung, die sie in der Nähe der beiden Wappner vor der Rathaustür befiel. Ich klopfte dem Knecht auf die Schulter und kehrte mit ihr zusammen wieder in die Ländgasse und zum Haus des Wolf gang Leutgeb zurück.
    Diesmal erwartete mich Konrad an der Tür. Er schien beschlossen zu haben, mir ab sofort mit kühler Abneigung zu begegnen, denn er wandte sich ohne ein Wort ab und führte mich die Treppe hoch ins erste Obergeschoß. Ich sah mich um nach der jungen Frau, die unten an der Treppe stehenblieb und uns nachblickte, bis wir den Treppenabsatz erreichten und uns nach rechts wandten.
    Das Haus war gebaut wie eines der Laubenhäuser vorne in der Altstadt, mit einem Lichthof in seinem Zentrum, um den sich das Treppenhaus wand. Wir machten vor einer schweren Holztür halt, und Konrad schob den Riegel auf und öffnete sie vor mir. Ich trat ein, und er schloß die Tür hinter meinem Rücken.
    Der alte Mann saß hinter einem Arbeitstisch, der in einem sonst völlig kahlen Raum stand. Das einzige Fenster ging zu einem der kleinen Gäßchen hinaus, die zu einem Flößertor führten, und die nächste Hausmauer war so nahe, daß ein Mann mit langen Armen zum Fenster hinausgreifen und sie hätte berühren können. Eine Kerze brannte auf dem Schreibtisch und gab mehr Licht, als vom Fenster hereinfallen konnte. Ich sah mich unwillkürlich um; die Wände waren weiß gekalkt, und in einer Ecke war ein dunkler Herrgottswinkel mit einem einfachen Kruzifix aus Holz. Ansonsten besaß das Zimmer keinen Wandschmuck und auch keine Verzierungen an der hohen Decke. Es war einfach ein Raum mit

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