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Der Tuchhändler (German Edition)

Der Tuchhändler (German Edition)

Titel: Der Tuchhändler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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dem Zeitpunkt war es mir auch egal«, gestand er. »Ich hatte nur den Gedanken, mich so schnell wie möglich in Sicherheit zu bringen. Ich wußte nicht, daß die seltsamen Geschehnisse dieser Nacht noch lange nicht zu Ende waren.«
    »Was meint Ihr damit?« fragte ich ihn, aber meine Gedanken kreisten um seine vorherigen Worte. Eine Frau. Eine schlanke Gestalt.
    So gut wie alle Frauen haben langes Haar, sagte ich zu mir selbst. Und die meisten Männer dazu. Ebenso wie eine schlanke Gestalt.
    Aber ich wußte, daß es kein Mann gewesen war. Und ich wußte, daß es nicht irgendeine Frau gewesen war.
    Jana Dlugosz.
    Die Zofe der toten Gräfin.
    – Oder wer immer sie sonst sein mochte .
    »Ihr könnt Euch denken, daß meine Nachtruhe nach diesem Erlebnis gestört war«, sagte Löw, aber seine Absicht mißlang, es ironisch klingen zu lassen. »Deshalb hörte ich auch die gedämpften, aufgeregten Geräusche von der Straße eine oder zwei Stunden später. Ich schlafe in einem eigenen Zimmer, wenn ich in Landshut auf Besuch bin; es ist ein ehemaliges Zimmer für Knechte oder Dienstmägde, und es hat ein Fenster auf die Ländgasse hinaus. Ich öffnete es vorsichtig und spähte hinaus; es ist im zweiten Stock, und wenn man sich vornüberbeugt, kann man bis zum Tor des alten Reckel-Hauses sehen. Es war eine Abteilung Wappner, fünf oder sechs Männer. Sie waren jedoch nicht bei dem alten Haus, sondern ein wenig weiter unten, beim Haus des Wolf gang Leutgeb. Sie zerrten drei Männer heraus und verhafteten sie.«
    »Verhafteten sie? Beim Haus des Leutgeb?« fragte ich verblüfft.
    »Ich hatte es nicht von Anfang an mitbekommen. Ich nehme jedoch an, sie pumperten gegen die Tür, und als ihnen jemand endlich öffnete, rannten sie hinein und stellten das Haus auf den Kopf. Drinnen schepperte und klirrte es, als müßten sie Gewalt anwenden, um der Männer habhaft zu werden. Ich sah Fackelschein aus den Fenstern, und obwohl sich die Wappner bemühten, möglichst leise vorzugehen, hörte ich sie doch fluchen und schimpfen und von Zimmer zu Zimmer hasten. Die ganze Zeit über standen zwei Frauen in Nachtgewändern auf der Gasse und rangen die Hände und flehten die Wappner an, die vor der Tür geblieben waren; aber diese hatten ihre Befehle und beachteten die Frauen nicht. Sie hielten sie nur fest, so daß sie ihnen nicht dazwischenkommen konnten. Als sie die Verhafteten endlich auf der Straße hatten, konnte ich erkennen, daß diese sich vehement gewehrt haben mußten. Alle drei bluteten aus Platzwunden, und auch zwei oder drei der Wappner hielten sich irgendwelche Körperteile, wohin sie getreten oder geschlagen worden waren. Sie stießen die zwei Frauen zurück ins Haus, nahmen die Verhafteten in die Mitte und marschierten so schnell wie möglich ab. Es dauerte keine fünf Minuten, und der Spuk war vorbei. In gewisser Weise erinnerte mich der Vorgang an das, was mein Vater mir über die Ereignisse damals beim Bürgeraufstand erzählt hat«, setzte er hinzu. Er schüttelte verwirrt den Kopf.
    »Die Männer, die verhaftet wurden«, fragte ich, »waren das dieselben, die den Flößer umgebracht haben?«
    »Ich konnte es nicht erkennen. Warum glaubt Ihr das?«
    »Es war nur eine Vermutung«, sagte ich und zuckte mit den Schultern. Wenn sie es nicht waren, dachte ich, gibt es tatsächlich noch eine dritte Partei in diesem Spiel. Ist Jana eines ihrer Mitglieder?
    »Ich möchte wissen, was der alte Leutgeb zu dieser Angelegenheit sagen wird«, brummte der junge Löw. »Man verhaftet nicht einfach Gäste in seinem Haus.«
    »War er denn nicht zugegen?«
    »Nein, er ist überhaupt nicht in Landshut. Er hält sich in Wildbad auf, um ein Magenleiden zu kurieren.«
    »Das kann nicht sein«, sagte ich. »Ich habe noch vor ein paar Tagen mit ihm gesprochen.«
    Löw sah mich scharf an und runzelte die Stirn.
    »Ich selbst habe den alten Leutgeb nach Wildbad gesandt; er gehört auch zu denjenigen, denen mein Vater meine Dienste in Aussicht zu stellen pflegt.«
    »Ich habe noch mit Eurem Vater über Leutgeb gesprochen und daß ich ihn kennengelernt hätte. Er schien es nicht verwunderlich zu finden.«
    Er zuckte mit den Schultern.
    »Ich halte meinen Vater nicht über jeden meiner Patienten auf dem laufenden.«
    Ich ließ mich zurücksinken und versuchte, meine Verblüffung zu überwinden. Ich konnte nicht glauben, was der junge Mann mir erzählte. Nein: Ich konnte es durchaus glauben; ich wollte es nur nicht.
    »Wolfgang Leutgeb«, sagte ich. »Ein

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