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Der Tuchhändler (German Edition)

Der Tuchhändler (German Edition)

Titel: Der Tuchhändler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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großer, schwerer Mann, größer als ich, mit Schultern, die einmal breit gewesen sind und jetzt heruntersinken; helle, blaue Augen und eine vorspringende Stirn mit tiefen Falten.«
    Löw grinste plötzlich über das ganze Gesicht.
    »Soll das ein Scherz sein, Herr Bernward?«
    »Wieso?« stieß ich hervor.
    »Weil Ihr mir gerade das Gegenteil geschildert habt. Wolfgang Leutgeb ist klein, leicht, von gekrümmter Gestalt; ich möchte sagen, er wiegt gerade halb soviel wie Ihr. Sein Magen bringt ihn langsam um; und da er versucht, die Schmerzen mit Wein zu betäuben, beschleunigt er seinen Untergang nur.«
    Er sah mich durchdringend an, aber ich konnte seinen Blick nicht erwidern. Ich war so fassungslos, daß ich nur in die Ferne starrte. Ich zweifelte nicht daran, daß er mir die Wahrheit gesagt hatte.
    »Mit wem zum Teufel habe ich dann gesprochen?« rief ich.
    »Die Beschreibung sagt mir leider nichts«, erwiderte Löw.
    »Er hat sich mit dem Namen Leutgeb vorgestellt und mich eingehend darüber ausgefragt, was ich in dem alten Haus des Dietrich Reckel zu suchen hatte.«
    »Wolfgang Leutgeb war es jedenfalls nicht. Vielleicht hat er einen Sohn?«
    »Der Mann war so alt, daß er beinahe mein Vater sein könnte.«
    »Leutgeb hat jedenfalls keinen Bruder; soviel weiß ich sicher.«
    Ich schwieg darauf, und auch er hatte nichts mehr zu sagen. Ich starrte weiterhin ins Leere und versuchte, mir über das Gehörte klarzuwerden. Wer immer der Mann gewesen war, der mich angesprochen hatte: Die Wappner hatten ihn entweder nicht im Haus vorgefunden, oder er war nicht von Belang für sie. Aber wer im Haus des Wolfgang Leutgeb war überhaupt von Belang?
    Dem Aufgebot der Wappner nach zu schließen, hatten entweder der Stadtkämmerer oder Richter Trennbeck die Verhaftung angeordnet; und Hanns Altdorfer konnte es nicht gewesen sein. Es konnte sich durchaus um einen Zufall handeln und die Polizeiaktion aus Gründen stattgefunden haben, die nichts mit dem Fall zu tun hatten. Warum aber glaubte ich nicht daran? Mein ganzes Gefühl war dagegen. Ich war mir beinahe sicher, daß auch Richter Trennbeck die Verhaftung nicht befohlen hatte. War es Richter Girigels Werk? Womöglich waren die Gefangenen doch bei ihm eingetroffen; sein Beauftragter mochte auf sie gestoßen sein und sie nach Burghausen gebracht haben. Hatte er aus den beiden etwas herausgefoltert? Wenn ja, war seine Tüchtigkeit bemerkenswert: Er hatte keine Zeit verloren. Vielleicht war die gesamte Angelegenheit nun endlich erledigt.
    – Außer, daß es nicht so einfach war .
    Die Verhaftung hatte gestern nacht stattgefunden; heute morgen aber hatte laut Aussage von Wilhelm Trennbeck und seinem Schreiber noch immer keine Nachricht aus Burghausen vorgelegen.
    »Warum erzählt Ihr mir das alles?« fragte ich.
    Löw schaute von der Tischplatte auf und sah mir ins Gesicht.
    »Ich dachte, Euch damit weiterzuhelfen«, sagte er schlicht.
    »Ihr habt es«, erwiderte ich. »Und Ihr habt Euch selbst in große Gefahr gebracht.«
    Er machte eine abwehrende Handbewegung.
    »Was werdet Ihr jetzt tun?« forschte er.
    »Ich weiß es nicht«, sagte ich seufzend. »Zuallererst: Euch danken für Euren Besuch. Und Euch bitten, die Angelegenheit nicht mehr weiterzuverfolgen.«
    Er zögerte einen Moment, und ich setzte hinzu: »Im Sinne Eurer eigenen Gesundheit. Und um Eures Vaters willen.«
    Er nickte schwer.
    »Tatsächlich macht mir die Sache angst«, gestand er freimütig. »Seit ich den Mord im Fluß beobachtet habe, sehe ich die Szene immer wieder vor mir. Ich habe noch niemals gesehen, wie ein Mensch umgebracht wird. Ich habe schon manchen sterben sehen, aber getötet zu werden ... Ich wäre froh, wenn mir diese Erfahrung erspart geblieben wäre.«
    »Dann bemüht Euch, sie zu vergessen«, sagte ich.
    »Und was ist mit Euch?«
    »Ich werde weiter versuchen, den Knoten zu entwirren. Ich wünschte, ich wäre Alexander und hätte ein scharfes Schwert.«
    Er lächelte dünn.
    »Wenn Ihr mich braucht ...«, bot er an. »Ich habe wenigstens ein Skalpell.«
    »Nein, Herr Löw«, erwiderte ich scharf. »Ihr habt mir zweimal mehr geholfen, als jeder andere mir in diesem Fall weitergeholfen hat. Begebt Euch jetzt bitte aus der Gefahr.«
    »Ich tue nichts lieber als das«, sagte er. »Aber es verursacht mir ein schlechtes Gewissen, Euch alleine zu lassen.«
    Das war eine Aussage, die ich schon lange nicht mehr gehört hatte. Plötzlich dachte ich an Daniel, der sogar vergessen hatte, Hans Stethaimer

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