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Der Tuchhändler (German Edition)

Der Tuchhändler (German Edition)

Titel: Der Tuchhändler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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hinterherliefen. Und doch: Es hätte nur einer zu sagen brauchen: ›Tut es nicht! ‹, und sie wären das Risiko nicht eingegangen. Ich hätte aufstehen sollen, ich, ein zehnjähriger Knirps: Ich hätte ihnen möglicherweise allen das Leben retten können.«
    Er sagte es emotionslos; es war ein Gedanke, mit dem er sich schon so lange auseinandergesetzt hatte, daß er ihn nicht mehr erregte. Er hatte ihn wohl in den langen Jahren immer wieder aufgegriffen und herumgedreht und von allen Seiten begutachtet und sich gesagt: Ich hatte es in der Hand, und ich habe versagt. Schließlich war der Gedanke geworden wie ein glattpolierter Kieselstein in seiner Seele: Die Kanten und Ecken waren abgeschliffen vom vielen Herumwenden, und er tat nicht mehr weh – man spürte nur noch ab und zu sein Gewicht.
    »Sie hätten nicht auf Euch gehört«, entgegnete ich, aber er beachtete meinen Einwand nicht. Er hatte mir seine Gedanken nicht offenbart, weil er auf einen Trost hoffte; sie gehörten nur zu seiner Geschichte, und er wollte sie vollständig erzählen.
    »Zuletzt drohte der Rat dem Herzog damit, sich wegen seiner Beschwerden an den Kaiser zu wenden und die Überprüfung durch das Hofgericht zu verlangen«, fuhr er fort. »Das war im Herbst 1408; ein herrlicher Herbst, der einen mehr als entschädigte für den Tod des Sommers und der manchen sagen ließ, daß er getrost auf den Sommer verzichten könne, wenn nur jeder Herbst so wäre ... Die treibende Kraft war Christian Leutgeb. Er und mein Vater waren Freunde; sie waren wie Feuer und Wasser, aber sie schienen einander zu ergänzen, und ich glaube, daß sie sich näherstanden als Brüder. Mein Vater erbaute sogar Christian Leutgebs Haus: das Haus, in dem wir hier sitzen. Leutgeb hatte in den Jahren seit 1405 gewaltigen Einfluß im Rat gewonnen; er war vom äußeren in den inneren Kreis übergewechselt und setzte seinen Stolz darein, die Geschicke der Stadt maßgeblich bestimmen zu können. Ich hatte mich vor ihm immer gefürchtet: Er war laut und hochfahrend und hielt niemals mit seiner Meinung hinter dem Berg – leider war es ihm aber auch nicht gegeben, diese Meinung auf diplomatischem Wege auszudrücken, und so wirkte er öfter beleidigend als offenherzig. Mit seinem Bruder hatte er sich bereits vor Jahren vollständig überworfen. Vielleicht dachte er, er habe ein Recht darauf, herablassend und grob zu sein: Er hatte sein eigenes Vermögen eingesetzt, um den Rat und natürlich auch seine eigene Position darin zu stärken, und sich so sehr damit verschuldet, daß er ständig auf Kredit lebte – allerdings ohne daß er es sich dadurch wesentlich schlechter gehen ließ als vorher. Einmal hörte ich, wie meine Mutter im Scherz zu meinem Vater sagte: ›Paßt nur auf den Leutgeb auf, damit er nicht zu Schaden kommt, bevor er Euch seine Schulden zurückgezahlt hat. Wir wären sonst ruinierte‹ Kennt Ihr Contzen von Asch?« fragte Reckel unvermittelt.
    »Dem Namen nach«, sagte ich. »Er besitzt das Haus neben dem herzoglichen Zollhaus und macht dem Stadtkämmerer Schwierigkeiten wegen des Mauerdurchbruchs im ersten Obergeschoß.«
    »Davon weiß ich nichts«, erklärte er und zuckte mit den Schultern. »Sein Großvater – Martin von Asch – war der zweite Mann hinter der ganzen Angelegenheit, wenn Ihr so wollt. Er war der Vater meiner Mutter; Contzen von Asch ist mein Vetter. Er besaß nicht weniger Feuer als Leutgeb, aber er war von Natur aus ein höflicher, ruhiger Mensch. Wo Leutgeb jemanden mit der Gewalt seiner Stimme überzeugte, tat Asch dies durch ruhige Freundlichkeit. Selbst zu Kindern war er immer ruhig und nahm sich viel Zeit, ihnen alles zu erklären – ich mochte ihn sehr gerne. Ich möchte sogar sagen, Asch war das Gehirn hinter der Aktion – Leutgeb aber war ihre Seele. Nun, jedenfalls gehörte Martin von Asch zu denjenigen, die der Zorn des jungen Herzogs als erste traf. Kaum war Heinrich die Drohung unterbreitet worden, daß die Räte sich mit einer Beschwerde an Kaiser Ruprecht wenden wollten, als er schon im Handstreich deren Rädelsführer verhaften ließ. Heinrich Eberlein, der ein Jahr nach dem Aufstand starb, erzählte kurz nach der Verhaftungswelle, was passiert war. Er war fett und so nervös wie ein Huhn, aber er hatte einen wachen Sinn, und wenn man ihn während irgendeiner unangenehmen Situation herumflattern sah, mochte man nicht glauben, daß er dennoch jede Einzelheit davon mitbekommen hatte und später sogar bewerten konnte, wenn er sich

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