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Der Tuchhändler (German Edition)

Der Tuchhändler (German Edition)

Titel: Der Tuchhändler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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erfahren.«
    »Ihr wollt reden?« flüsterte ich.
    Er sah durch mich hindurch, und ich dachte fast, er würde mir nicht mehr antworten, so lange ließ er sich Zeit mit seiner Erwiderung. Dann holte er seinen Blick zurück und richtete ihn auf mich. Ich weiß nicht, welche Gedanken ihm durch den Kopf gegangen sein mögen während dieser Augenblicke und auch davor, als ich ihn in höchster Erregung verlassen hatte; sicher ist nur, daß er mich betrachtete, als würde er mich zum ersten Mal richtig sehen.
    »Ja«, sagte er einfach. »Bringt mich zu Euren Freunden.«
    Er ging alleine mit; er bestand nicht einmal darauf, Konrad mitzunehmen. So wie er war, mit durchnäßtem Wams und wirren Haaren, begleitete er mich durch den Regen und die mittlerweile vollkommene Dunkelheit zurück zur Stadtresidenz des Herzogs. Als wir an seinem alten Haus vorbeikamen, musterte er mit Interesse, was in der Finsternis davon zu sehen war; während des gesamten Weges drehte er den Kopf von einer Seite zu anderen und sog den Anblick der vor dem nachtgrauen Himmel in die Höhe ragenden Giebel und Fassaden in sich auf. So wie er mich plötzlich richtig wahrgenommen zu haben schien, so schien er auch die umgebenden Häuser erstmals zu sehen. Aber seine Attitüde war nicht die eines Staunenden, der unverhofft erwacht war und sich an einem Ort befand, an dem zu erwachen er nicht erwartet hatte; eher machte er den Eindruck eines Mannes, der sich zu wochenlangen Exerzitien in einem dunklen Kloster eingeschlossen hat und der nach der Beendigung seiner Übungen wieder ins Freie tritt und befriedigt feststellt, daß alles genau so hoch und weit und beeindruckend ist, wie er es sich während seiner Abwesenheit immer vorgestellt hat.
    Ich fühlte mich weder aufgeregt noch erfreut angesichts seiner Ankündigung; nur eine aushöhlende Erschöpfung hatte sich in mir breitgemacht. Ich mußte mich zwingen, an Daniel Löw zu denken, damit meine Aufmerksamkeit wieder erwachte; ich hatte wirklich schon geglaubt, daß nun alles vorüber sei.
    Reckel sagte den ganzen Weg über nichts; ebensowenig, als wir die Treppe zu Moniwids Zimmer erklommen. Er drehte nur auch hier den Kopf herum, um so viel von dem fackelerleuchteten Inneren der herzoglichen Residenz zu sehen wie möglich. Wenn es ihm bewußt war, wohin ich ihn geführt hatte, erwähnte er es mit keinem Wort und auch keiner Geste. Ich konnte nicht umhin, ihn faszinierend zu finden: Er hatte sich zuletzt entschlossen, von allen Menschen ausgerechnet mir zu vertrauen, und er tat es nun rückhaltlos. Ich bat ihn, vor der Tür zu warten, und schlüpfte allein in das Zimmer.
    Löw war eingeschlafen, wie ich es mir beinahe gedacht hatte. Er saß in sich zusammengesunken in dem Stuhl, in den ich ihn genötigt hatte. Er hätte ein friedliches Bild abgeben müssen, aber sein Gesicht war grau trotz des Lichtschimmers der Kerze, die vor ihm auf dem Tisch brannte, und in ihrem Blaken sah ich, daß er im Schlaf weinte. Moniwid lag im Bett und starrte gegen die Decke; am Boden vor seinem Bett stand ein Krug Wein mit zwei Bechern. Einer davon war leer; er hatte tatsächlich an Löw gedacht und einen Becher für ihn mitbringen lassen, aber der Apotheker hatte die zähnebleckende Gastfreundschaft des Polen nicht genutzt. Den anderen Becher hielt Moniwid in einer Hand und drehte ihn gedankenverloren hin und her. Bei meinem Eintreten blickte er zur Tür. Ich sah, daß sich seine Schmerzen kaum gebessert hatten.
    »Was ist nun!« krächzte er.
    »Ich habe den Mann bei mir, der alles aufklären kann«, sagte ich. Seine Wangenmuskeln zuckten.
    »Er ist natürlich ein von Euch bezahlter Komödiant«, erklärte er.
    Gegen meinen Willen mußte ich lächeln.
    »Ich möchte, daß Ihr mir etwas versprecht«, sagte ich.
    »Auf gar keinen Fall.«
    »Wie geht es Eurer Schulter?« fragte ich. Er verzog wütend das Gesicht.
    »Was soll ich Euch versprechen?« knurrte er.
    »Daß Ihr dem Mann, den ich Euch gebracht habe, freies Geleit zusichert, ganz gleich, was er Euch erzählen wird; und daß Ihr kein Wort über ihn und sein Hiersein jemand anderem gegenüber verliert außer mir und dem alten Mann dort.«
    Er zog eine Augenbraue hoch, aber er sagte nicht sofort etwas. Schließlich brummte er: »Damit er mir jeglichen Bären aufbinden kann und ich keinerlei Möglichkeit habe, seine Geschichte nachprüfen zu lassen.«
    »Nein«, sagte ich. »Damit sein Vertrauen in mich auch gerechtfertigt ist.«
    »Ist es denn eine so große Gefahr, Euch zu

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