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Der Tuchhändler (German Edition)

Der Tuchhändler (German Edition)

Titel: Der Tuchhändler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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»Das ist ein Erlaubnisschein, mit Gefangenen zu sprechen und nötigenfalls ihre Freilassung anzuordnen.«
    »Ich weiß. Ich habe ihn selbst gefälscht. Seht Ihr das richterliche Siegel?«
    »Habt Ihr mit ihnen gesprochen? Wie geht es ihnen?«
    »Nein!« schrie ich auf. »Sie sind nicht hier. Man hat sie allesamt nach Burghausen gebracht, wo der Folterknecht auf sie wartet!«
    Er holte aus und schlug mit einer Faust auf den Tisch. Sein Gesicht lief dunkelrot an.
    »Das ist Eure Schuld!« brüllte er so laut er konnte. »Warum habt Ihr Euch eingemischt!? Wir hatten von Anfang an nichts mit Euch zu schaffen!«
    »Was habt Ihr dann überhaupt hier zu schaffen?« schrie ich zurück. »Verratet es mir doch endlich!«
    Er fuhr sich mit der Hand über das ganze Gesicht. Er drückte so hart auf, daß seine Finger weiße Spuren auf seiner Haut hinterließen.
    »Nein«, murmelte er. »Nein.«
    »Reckel!« rief ich. »Die ersten beiden Eurer Freunde wurden bereits der peinlichen Befragung unterzogen; geht Euch das nicht ein? Ihr könnt es den anderen ersparen.«
    »Ich kann es nicht«, flüsterte er. »Außer, Ihr befreit sie.«
    »Warum könnt Ihr es nicht, zum Teufel noch mal? Glaubt Ihr denn, daß der Richter etwas anderes von ihnen will als den Namen des Mörders?«
    »Ihr wißt nichts«, murmelte er.
    Ich verdrehte die Augen und versuchte mich zu beherrschen. Ich packte den Zettel und hielt ihn vor sein Gesicht.
    »Das hier«, sagte ich erstickt, »ist der Freibrief für Eure Freunde.« Ich faßte nochmals in meine Tasche und holte das Siegel hervor. Ich hielt es hoch. »Und das hier«, fuhr ich fort, »hat ihn besiegelt...«
    Er heftete seine Augen darauf.
    »Was ist das?«
    »Ein richterliches Siegel«, sagte ich. »Sein Abdruck ist auf dem Schreiben. Es ist echt.«
    »Dafür wollt Ihr den Namen?«
    »Ja. Und zwar jetzt. Vor Albert Moniwid.«
    Sein Gesicht verzerrte sich so sehr, daß ich einen Moment lang glaubte, er würde einen Schlaganfall erleiden. Selbst seine Augen traten hervor. Ich hörte ein dumpfes Stöhnen aus seiner Brust.
    »Erst meine Männer«, flüsterte er.
    »Niemals!« schrie ich. »Wir haben keine Zeit.«
    »Ich kann Euch nicht vertrauen!« schrie er zurück.
    »Aber Ihr verlangt, daß ich Euch vertraue! Ihr macht Euch lächerlich! Gebt mir den Namen, und ich bemühe mich morgen um die Freilassung Eurer Freunde.«
    »Ihr werdet mich hintergehen.«
    »Dann kommt mit nach Burghausen und seht mir dabei zu, wie ich sie aus dem Kerker hole.«
    »Ich kann nicht«, ächzte er. »Ich kann nicht.«
    Ich konnte ihn nicht begreifen. Der Brief lag noch immer vor seinen Augen. Er fixierte ihn, als wäre er mit Honig bestrichen und er hätte seit Wochen nichts zu essen erhalten, aber er faßte ihn nicht einmal an. Dachte er an den Verrat seiner Mutter? Ich wußte, daß er keinen Grund hatte, jemandem zu vertrauen; aber führte sein Mißtrauen so weit, daß er nicht mehr sehen konnte, was auf dem Spiel stand?
    »Was ist nun?« fragte ich fassungslos.
    »Beeilt Euch mit der Freilassung meiner Freunde«, sagte er. »Dann reden wir wieder.«
    Ich schloß die Augen. In meinem Mund war ein Geschmack wie von Blut. Ich griff wie im Traum über den Tisch und nahm das Schreiben in die Hand.
    »Ihr widert mich an«, sagte ich.
    »Ihr wißt nicht, wovon Ihr redet«, sagte er. »Ihr wißt nicht, weshalb ich hier bin.«
    »Natürlich nicht«, höhnte ich. »Ihr wollt es mir ja nicht sagen.«
    »Es ist von größter Wichtigkeit für mich. Ich muß vorsichtig sein.«
    Ich sprang auf. Die ganze Zeit über hatte ich eine grausame Wut mühsam unterdrückt, eine Wut, die ihre Finger um etwas legen und es zerdrücken wollte, nur damit der Druck nachließ. Mit einem Mal fühlte ich, wie mich der Zorn überschwemmte. Ich zerknüllte das gefälschte Schreiben und warf es ihm ins Gesicht.
    »Für Leutgeb war der Aufstand von größter Wichtigkeit«, keuchte ich. »Euren Vater hat er das Leben gekostet.«
    »Was wollt Ihr damit sagen?« zischte er.
    »Was wohl!« schrie ich in höchster Lautstärke. »Daß Ihr diesen Sessel in diesem Arbeitszimmer in diesem Haus mit größerer Berechtigung ausfüllt als sein eigentlicher Eigentümer!«
    Seine Augen weiteten sich, aber ich sah nicht, ob sein Gesicht erblaßte. Ich drehte mich um und stürmte aus dem Zimmer. Meine Wut verrauchte, wie sie gekommen war. Ich stolperte die Treppe hinunter. Ich hatte es verdorben; ich hatte alles verdorben. Ich würde seine Unterstützung nicht bekommen, um

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