Der Tuchhändler (German Edition)
Geschehnissen darum herum hören zu wollen; er begann schon zu verfallen und krank zu werden, als ob er mit meiner Rettung seinen Daseinszweck endgültig erfüllt hätte und nun abtreten könne. Ich aber war nur ein Kind, und es war fragwürdig, ob ich überhaupt wußte, wovon ich sprach. Ich mußte lange warten, bis ich mich wieder darum kümmern konnte. Der Zorn des Herzogs verrauchte langsam, und als es endlich soweit war, daß ich mich heimlich nach Landshut wagen konnte, ohne im Fall meines Ergreifens den sofortigen Tod befürchten zu müssen, war ich bereits ein junger Mann. Ich stand kurz davor zu heiraten, und es war meine feste Absicht, das Geld meines Vaters zu holen, um damit zu schaffen, wofür es gedacht war: meine Existenz. Ich hatte während der ganzen vergangenen Jahre von der Mildtätigkeit der Verwandten Eberleins gelebt, und wenngleich sie es mich nie spüren ließen, so hatte sich in mir doch das heiße Verlangen gebildet, endlich auf eigenen Füßen stehen zu können.«
Er wischte sich den Regen aus den Augen und blickte an der Fassade des Hauses in die Höhe.
»Ich nahm Kontakt mit den Leutgebs auf; ich weiß nicht einmal mehr, warum: Ich hatte Christian Leutgeb gehaßt, und sein Name verursachte mir noch immer eine Gänsehaut. Vielleicht dachte ich, es sei nur recht und billig, wenn mich die Familie seines Bruders bei meiner Absicht unterstützen würde. Christians Bruder war zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben; sein Sohn, der mir persönlich nicht bekannt war, kannte nichtsdestotrotz meinen Namen. Er schämte sich zu Tode für die Habsucht und die Mitleidlosigkeit seines Vaters, und er nahm mich heimlich in seinem Haus auf, damit ich mich um meine Angelegenheit kümmern konnte. Das Haus meines Vaters stand leer; es war die einfachste Sache der Welt. Noch in der Nacht meiner Ankunft kroch ich durch den Gang, der die beiden Häuser verband, brach das Schloß zum Vorratskeller auf, kletterte hinein und zündete eine Kerze an.«
Ich wußte auf einmal, wovon er sprach.
»Der Vorratskeller liegt in einer Ecke des Hofes unter einem kleinen Schutzhäuschen«, sagte ich bestürzt. »Ein paar Stufen führen hinunter.«
Er nickte.
»Ihr habt ihn gesehen«, sagte er. »Ich sah ihn damals so, wie Ihr es vermutlich getan habt. Der Boden bestand aus gestampfter Erde, die mit Kieselsteinen aus dem Fluß durchsetzt war; in einer Ecke war der Grund aufgewühlt, ein verrostetes Beil lag noch daneben, mit dem man ihn aufgehackt hatte. Ich fiel auf die Knie und begann, die aufgebrochene Erde nochmals zu durchwühlen. Ich weiß nicht mehr, was ich dabei fühlte; ich denke, ich habe laut geweint. Ich grub, bis meine Fingernägel blutig waren, und fand schließlich insgesamt ein halbes Dutzend Münzen. Es hatte damals schnell gehen müssen; er hatte sie vermutlich in der Hast übersehen. Sonst fand ich nichts. Das Geld meines Vaters war verschwunden.«
»Er?« fragte ich.
»Ebran; der Geliebte meiner Mutter. Er wußte von dem Geld und kam nach der Niederschlagung des Aufstandes noch einmal in unser Haus, um es sich zu holen. Wahrscheinlich hielt sie es zu guter Letzt doch für eine der Schrullen meines Vaters und erzählte ihrem Galan von dem vergrabenen Geld.«
»Seitdem habt Ihr Euch nur noch auf Euch selbst verlassen«, sagte ich.
»Könnt Ihr mir das verdenken? Noch nicht einmal die Männer, die ich mitgebracht habe, sind über alles informiert. Sie wissen nur das Nötigste.«
»Und was macht Ihr nun wieder hier in Landshut?«
Ich erwartete nicht, daß er es mir sagen würde. Andererseits konnte ich es mir fast denken.
»Ich bin immer noch auf der Suche nach dem Geld.«
»Nach so vielen Jahren«, stieß ich hervor. »Was bringt Euch darauf, daß Ihr es doch hier finden könnt? Leben Nachkommen Ebrans in Landshut?«
Er schüttelte den Kopf.
»Er hatte keine Nachkommen«, sagte er. »Zumindest keine, von denen er zu wissen schien. Er hat wohl viel gesät, aber niemals geerntet.«
»Woher wollt Ihr das wissen?«
»Ich habe mich erkundigt«, sagte er einfach.
»Und es geht Euch nur um das Geld?« fragte ich nochmals.
»Es geht um das Erbe meines Vaters«, berichtigte er mich. »Das ist ein Unterschied.«
Ich dachte: Es ist kein Unterschied; Geld ist Geld. Aber ich sagte es nicht. Ich konnte nicht garantieren, daß ich in seiner Lage nicht ähnlich gedacht hätte.
»Wie seid Ihr dann darauf gekommen, nochmals Euer Glück in Landshut zu versuchen?« fragte ich.
»Ihr werdet es
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