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Der Tuchhändler (German Edition)

Der Tuchhändler (German Edition)

Titel: Der Tuchhändler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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konfrontieren. Da ich wußte, wie wenig Ihr die Bürger der Stadt kanntet, sah ich es als ungefährlich an, mich als Wolfgang Leutgeb auszugeben. Ich dachte, wenn Ihr auch den Mann nicht kenntet, so würdet Ihr es doch merken, wenn einem Haus der falsche Name zugeordnet würde.«
    »Ihr habt mich vollkommen getäuscht«, sagte ich.
    Moniwid rief plötzlich unfreundlich: »Was hat dies alles mit dem Mord zu tun? Ich habe Euch nun weiß Gott geduldig zugehört, aber es wäre mir recht, wenn Ihr einmal auf den Punkt kommen würdet.«
    Ich sah zu ihm hinüber. Seine Augen glänzten, und er massierte seine Schulter unablässig. Es schien, daß seine Schmerzen größer geworden waren. Aus einem Einfall heraus wandte ich mich an Sebastian Löw, der vor wenigen Augenblicken erschrocken aufgewacht war und seitdem Reckel zerstreut zugehört hatte. Dabei zupfte er unablässig mit zitternden Fingern am Kragen seines Wamses.
    »Habt Ihr in Eurer Apotheke ein schmerzstillendes Mittel?« fragte ich ihn. Er schreckte auf.
    »Gegen Schmerzen?« stotterte er. »Natürlich. Warum?«
    »Würdet Ihr für Herrn Moniwid etwas davon holen?«
    Er sah Monwid an, und es war klar zu erkennen, daß er Schwierigkeiten damit hatte, seine Person zuzuordnen. In seinem Erschöpfungsschlaf schien ihm die Gegenwart abhanden gekommen zu sein. Er stand unschlüssig auf und richtete seinen Blick dann auf mich.
    »Ihr steht hier herum«, klagte er plötzlich. »Was ist mit Daniel? Ihr wolltet mir helfen.«
    »Wir helfen Euch doch. Geht und holt das Mittel, bitte. Der Mann, der Euch abgeholt hat, wird Euch hin und zurück begleiten.«
    Er starrte mir flehentlich ins Gesicht, aber er befolgte meinen Wunsch. Er war an einem Punkt angelangt, an dem seine eigene Initiative völlig zusammengebrochen war; vermutlich war er geradezu froh, wenn ihm jemand sagte, was er als nächstes zu tun hatte. Er schniefte unglücklich und verschwand.
    Reckel sagte: »Ich komme gleich auf den Punkt. Seht Ihr, nach einigen Tagen hatten meine Leute eine gewisse Routine darin, den Mann zu beobachten; er geriet ihnen kaum jemals aus den Augen. Als Ihr mir mitteiltet, die polnische Gräfin wäre am Allerheiligenmorgen ermordet in der Martinskirche aufgefunden worden, wußte ich, daß nur er der Mörder sein konnte; und glaubt nicht, daß diese Erkenntnis mich sonderlich überraschte. Ich konnte mich erinnern, daß einer meiner Männer mir gemeldet hatte, er habe ihn spätnachts mit einer Frau in die Baustelle gehen und nach langer Zeit alleine wieder herauskommen sehen. Er hatte sich nichts dabei gedacht, denn der Bau hat viele mögliche Ausgänge, und er nahm an, es handle sich um ein heimliches Stelldichein, und sie hätte die Baustelle über einen anderen Weg wieder verlassen.«
    Das war es; und es war so einfach, daß ich am liebsten gelacht hätte. Ich versuchte es, und es hörte sich in dem still gewordenen Zimmer so fehl am Platz an, daß ich mit einem Mißlaut verstummte. Moniwid starrte Reckel mit zusammengekniffenen Augen und gesträubten Brauen an und sagte nichts. Der alte Mann lehnte weiterhin an der Tischplatte und gab Moniwids Blick ruhig und mit verschränkten Armen zurück. Nach meinem fehlgeschlagenen Lachen breitete sich plötzlich eine große Leere in mir aus; meine Gedanken liefen einen Augenblick lang ungelenkt durch mein Gehirn, und ich dachte absurderweise: Jetzt würde ich gerne etwas essen. Ich riß mich zusammen und zwang mich wieder zur Konzentration.
    – Das war es .
    Ich wußte auf einmal, wen Reckel verfolgt hatte; ich dachte an sein Gesicht und seinen vor Nässe triefenden Körper, an die Schlinge um seine Knöchel. Ich dachte: Zuletzt hat der alte Mann ihn doch noch eingeholt und den Mord an Ebran an ihm gerächt. Welche Ironie; Ebran war der Mann, dem Reckel den Tod wahrscheinlich am meisten von allen gewünscht hatte. Es war nicht verwunderlich, daß er nicht darüber hatte reden wollen. Ich wartete, ob Reckel weitersprechen würde, aber er schwieg. Vielleicht wollte er, daß ich es für ihn aussprach.
    Ich holte Atem und sagte laut: »Herr Moniwid, dank Herrn Reckeis Erklärungen kann auch ich Euch sagen, wer der Mörder der Gräfin ist. Ich muß Euch jedoch mitteilen, daß er der irdischen Gerechtigkeit bereits entzogen ist. Wir werden niemals erfahren, weshalb er sie umgebracht hat und warum er das tat, was er mit ihr getan hatte. Er steht selbst bereits vor seinem Herrn; vor einer Woche haben ihn die Wappner ertrunken aus dem Fluß gezogen.

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