Der Tuchhändler (German Edition)
und war wohl die ganze Zeit über hier gewesen.«
»Das kann ich kaum glauben«, warf ich ein. »So weit sind Landshut und Ingolstadt nicht auseinander; Ihr hättet eher von ihm hören müssen.«
»Es war nur natürlich. Ich hatte fast keinerlei Handelsbeziehungen nach Landshut geknüpft, bis auf ein paar Geldgeschäfte mit den Juden. Kaum einer meiner Männer fand sich jemals hier ein, und ich selbst sah erst recht keine Veranlassung dazu. Wie hätte ich ihn dann auffinden können? Ich rechnete ja nicht einmal damit, daß er sich überhaupt noch im Herzogtum befände. Ich wußte, daß es meine letzte Chance war zu erfahren, was mit dem Erbe meines Vaters geschehen war. Ich nahm einige der Dienstboten mit, denen ich am meisten vertraute, und suchte Wolfgang Leutgeb auf. Ich hatte vor längerer Zeit einmal versucht, einen Briefwechsel mit ihm aufzunehmen, um auch ihn um Hilfe bei meiner Suche zu bitten, aber er war zu sehr seinem schlechten Gewissen und dem Wein ergeben, als daß er mir hätte helfen können. Er hatte Angst, meine Freunde und mich zu beherbergen, und so nahmen wir mein altes Haus in Beschlag. Es sah verfallen genug aus, daß ich wußte, niemand würde es in der nächsten Zeit von Interesse finden.«
Er runzelte die Stirn, und ich erkannte, daß ihn der fortgeschrittene Verfall seines Elternhauses betrübt hatte. Dann schloß er die Augen und fuhr fort: »Ich begann zu beobachten. Ich wollte mir Zeit lassen mit der Konfrontation; zu viele Jahre waren seither vergangen, und er hatte keine Ahnung, daß ich ihn verfolgte. Ohne große Schwierigkeiten schleuste ich meine Männer da und dort ein; einen auf der Baustelle, einen als Pferdeknecht bei einem reichen Patrizier in der Stadt, ein paar als Gehilfen und Arbeiter bei den Stadtbehörden. Durch die Hochzeitsvorbereitungen waren Arbeitskräfte überall gefragt. Ich hieß sie, sich ein wenig umzuhorchen; ich wußte, daß der eine oder andere plaudern würde, aber ich hatte ihnen wenig genug mitgeteilt, als daß es für mich hätte gefährlich werden können. Plötzlich stellte ich fest, daß ich meinerseits beobachtet wurde.«
Er öffnete die Augen und sah mich an. Natürlich meinte er mich, aber diesmal war in seinem Blick kein Vorwurf zu erkennen.
»Ich dachte, er habe mich entdeckt. Ich wußte nicht, inwiefern er sich über die Geschichte des Geldes informiert hatte, das er sich von Ebran erschlichen hatte, aber ich mußte damit rechnen, daß er über mich Bescheid wußte. Ich kannte seine Skrupellosigkeit aus dem Mord an Ebran, und ich begann, um meine und um die Gesundheit meiner Helfer zu fürchten. Wie Ihr wißt, befindet sich auch meine jüngste Tochter bei mir. Ich war für sie und für all die anderen verantwortlich. Ich sah Euch, Peter Bernward, wie Ihr mein Haus observiertet. Es war nicht schwer festzustellen, wer Ihr wart; ich ließ Euch meinerseits beobachten. Euren Namen erfuhr ich letztlich durch die Flößer, mit denen Ihr vor ein paar Tagen verhandelt habt. Leider erfuhr ich nicht mehr, denn sie wurden mißtrauisch. Ich befürchtete schon, sie würden Euch erzählen, daß ich nach Euch gefragt hätte, aber wie es scheint, vergaßen sie es wieder.«
»Sie kamen nicht dazu«, knurrte ich. »Sie riefen mir einmal hinterher, aber ich habe ihnen nicht zugehört.«
»Eure Absichten kannte ich nicht«, fuhr Reckel fort. »Ich dachte, Ihr würdet mit dem Verfolgten unter einer Decke stecken.«
»Das war es, wofür Ihr mich gehalten habt: für seinen Handlanger«, sagte ich.
»So ist es. Ich beschloß nach langem Hin und Her, Euch Angst einzujagen. Konrad und die anderen lauerten Euch auf dem Heimweg auf.«
Ich sagte: »Ihr wolltet mich beseitigen lassen... «, aber er unterbrach mich sofort.
»Nein«, rief er heftig. »Ich wollte, daß sie Euch Furcht einflößten, damit Ihr Euch wenigstens für ein paar Tage zurückhieltet. In dieser Zeit hoffte ich, meine Angelegenheiten endgültig klären zu können. Aber Ihr entkamt und fügtet den Männern etliche blaue Flecken zu, und sie waren daraufhin von Zorn auf Euch erfüllt. Sie bestanden darauf, Euch nochmals abzufangen, und ich ließ sie gewähren. Wißt Ihr, darüber mache ich mir die größten Vorwürfe. Ich wollte es nicht. Ich mußte in der Zwischenzeit nicht einmal mehr befürchten, daß mein Versteck ausgehoben würde, denn Wolfgang Leutgeb hatte die Stadt verlassen, und seine Frau bewies mehr Courage als er und gewährte uns bedenkenlos Logis. Ich hatte sogar gewagt, Euch zu
Weitere Kostenlose Bücher