Der Tuchhändler (German Edition)
den Eure Freunde hier in der Isar ertränkt haben und denen Ihr dazu noch den Schlüssel zu einem der Tore in der Stadtmauer ausgehändigt habt? Er ist wieder nach oben gekommen, Richter, er hat mit seinem toten Finger auf Euch gezeigt. Was habt Ihr mit dem Apothekerssohn gemacht, den sie daraufhin in die Finger bekamen? Fressen an ihm auch schon die Fische, oder verbrennt man gerade seine Fußsohlen drüben in Burghausen? Ihr seid eine Zecke, Richter Girigel! Was habt Ihr mit meinem Geld getan? Euch diese Stellung erkauft? Freunde erschmiert? Ihr widerlicher, lächerlicher kleiner Zwerg. Ich habe mein Leben damit vertan, Euch hinterherzurennen, und da wollt Ihr mich kaufen mit Geld, das von Rechts wegen mir gehört? Nein, Freundchen, vergeßt es. Ich bin nur aus einem Grund hier: Ich will sehen, wie Euch der Henkersstrick die Augen aus dem Gesicht treibt!«
Er keuchte; am Ende hatte seine Stimme sich überschlagen. Ich war erschüttert, aber gleichzeitig dachte ich: Wenn man das nicht bis nach draußen gehört hat, dann weiß ich nicht. Ich erwartete, daß jeden Moment ein Aufgebot Wappner hereinstürmen würde, aber es blieb alles still. Die Kirche war groß, und sie fing den Schall auf ihre Weise.
Zwischen Reckeis heftigen Atemzügen hörte ich den Richter erstickt fragen: »Woher wißt Ihr das alles? Seid Ihr der Teufel?«
»Ich bin Euer persönlicher Teufel!« keuchte Reckel. »Ich werde Eure Seele ins Feuer hängen und beobachten, wie sie verschmort.«
Ich hatte erwartet, daß Girigel sich aufraffen und empört verteidigen würde; ich hatte erwartet, daß er seine Begleiter auf Reckel hetzen würde. Selbst Moniwid schien auf so etwas zu warten; ich sah, wie seine Linke nervös den Schwertgriff umklammerte. Zu meiner Überraschung begann er statt dessen zu wimmern. »Es hat mir kein Glück gebracht«, greinte er. »Euer Geld hat mir kein Glück gebracht. Schon als dieser unselige Ebran es noch besaß, klebte Blut daran. Er war kaum unter der Erde, da trat einer der Henkersknechte auf mich zu und erklärte mir, daß er von allem wisse, was ich getan hatte. Er war mir nachgeschlichen, als ich in jener Nacht in den Kerker ging und das Geständnis dieses Spitzels anhörte. Ich wollte ihm von dem Geld geben, aber er lehnte es ab. Er sagte, er sei noch zu jung; er würde es nur sinnlos ausgeben. Ich sah ihn mir an, und er war tatsächlich noch ein halbes Kind. Was tut ein Kind unter den Henkersknechten? Ich fragte ihn, was er von mir wolle, und er verlangte, daß ich ihm Lesen und Schreiben beibringe und ihn als meinen Schreiber aufnehmen würde; das würde sein Leben sichern, sagte er. Andernfalls würde er mich beim Advocatus anzeigen, und dieser haßte mich ohnehin, weil ich besser war als er. Was sollte ich tun? Ich nahm ihn als meinen Schreiber an, und er war der miserabelste Schreiber, den die Welt jemals gesehen hat; trotzdem mußte ich ihn immer mit mir nehmen. Nach Herzog Ludwigs Tod kam Herzog Heinrich in Ingolstadt an die Macht, und weil Ebran für seine Seite spioniert hatte, hatte der Schurke mich vollends in der Hand. Er erpreßte mich; er nutzte meine Zwangslage aus. Ich wagte nicht einmal, das Geld anzufassen. Ich habe es heute noch so, wie ich es damals nach den Angaben des Spitzels fand. Ich kann es Euch zeigen; Ihr werdet alles zurückerhalten. Ich machte mich schon lächerlich damit, daß ich ihn fortwährend protegierte. Zuletzt zwang er mich gar, ihn nach Polen mitzusenden. Er hatte einer Schlampe ein Kind angehängt und wollte verschwinden, während ich die Sache bereinigte. Und was tut er dort drüben? Eines dieser Weiber macht die Beine für ihn breit, und er verliert sich selbst aus den Augen, weil sie von Adel ist und sich trotzdem von ihm bespringen läßt; er erzählt ihr alles, und sie beschließen, mich gemeinsam um alles zu erpressen, was ich habe. Sie hat mich auch erpreßt, versteht Ihr?« rief er. »Sie war die größte Schlampe, die jemals am polnischen Königshof herumgelaufen ist, und wenn sie eines noch geiler machte als ein kräftiger Mann, dann Geld. Deshalb habe ich sie umgebracht! Sie verlangte zuviel! Ich mußte sie beseitigen.«
Ich starrte ungläubig dorthin, wo Moniwids Gesicht ein heller Fleck in der Dunkelheit war. Er gab den Blick nicht zurück. Nun wußte ich, was er verschwiegen hatte. Hätte ich nur etwas auf Janas Gerücht gegeben. Ich spürte, wie die Wut in mir hochkochte. Natürlich hatte die Gräfin einen Liebhaber gehabt; und es war ihm die ganze Zeit
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