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Der Tuchhändler (German Edition)

Der Tuchhändler (German Edition)

Titel: Der Tuchhändler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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über klar gewesen. Er mochte sogar gewußt haben, daß er ein Schreiber des Richters war, wenn ihm auch der Name unbekannt gewesen war. Vielleicht hatte er es deswegen verschwiegen: Er hatte sich dafür geschämt. Hätte ich es eher gewußt – vielleicht hätte der Flößer nicht zu sterben brauchen. Ich knirschte mit den Zähnen und hörte weiter zu.
    »Sie lachte mich aus, als ich sie bat, von mir abzulassen. Sie sagte, Wechsler hätte ebenfalls diese lächerlichen Skrupel gehabt. Sie würde sich aber nicht mit Almosen abspeisen lassen. Ich war wie von Sinnen; ich stieß sie zu Boden und umklammerte ihren Hals. Sie trat um sich und versuchte zu kreischen, und ich umklammerte ihren Hals immer fester. Sie war kräftig; plötzlich rollten wir in die Grube hinunter, und ich fiel auf sie. Jetzt hatte sie sich verletzt und wehrte sich nur noch schwach, und ich hielt ihre Arme nieder und drückte ihr die Luft ab. Meine Hand erlahmte, aber ihr Herz schlug noch immer. Ich faßte sie um den Kopf und brach ihr das Genick. Danach ...«
    »... tatet Ihr, was Ihr getan habt«, vollendete Reckel. Vielleicht hatte auch er kein Verlangen danach, die restlichen Details aus des Richters Mund zu hören.
    »Könnt Ihr das nicht verstehen?« heulte Girigel. »Sie hat mein Blut gesaugt, sie und dieser Wechsler!«
    »Was ist mit ihm geworden?«
    »Er war zu diesem Zeitpunkt bereits tot«, sagte Girigel erschöpft. »Ich kaufte diese beiden Burschen hier schon vor Allerheiligen aus dem Kerker heraus, in den ich sie selbst vor Wochen hatte werfen lassen, und trug ihnen auf, ihn so schnell wie möglich zu beseitigen. Meinen anderen Schreibern teilte ich mit, ich hätte ihn beurlaubt.«
    Das Schweigen, das darauf folgte, war lang. Alles, was zu hören war, war das Scharren auf dem Boden, wenn die Männer vorne ihren Standort wechselten. Ich spürte, wie Moniwid mich anblickte. Ich drehte mich zu ihm um und funkelte ihn zornig an. Er zuckte mit den Schultern. Ich mußte an mich halten, um ihn nicht lauthals zu verfluchen.
    »Ihr seid widerlich«, sagte Reckel schließlich klar und deutlich. Der Richter zog die Nase hoch.
    »Und nun?« fragte er gefaßt.
    Ich hörte das Ächzen, mit dem Reckel sich erhob.
    »Nun«, sagte er, »hat sich einer meiner größten Wünsche erfüllt: Euch einmal von Angesicht zu sehen und Euch dort hineinzusagen, wie sehr ich Euch verachte.
    Nun mögen andere kommen, ihre eigenen Wünsche zu erfüllen.«
    Es war das Stichwort für Moniwid und mich, wenn es jemals ein Stichwort gab. Ich bekämpfte den Schwindel und richtete mich hinter dem Bretterstapel auf, Moniwid neben mir.
    Die vier Männer standen nahe beieinander. Reckel und Girigel sahen sich gegenseitig ins Gesicht, und Reckeis Laterne beleuchtete Girigels blasse Züge. Bei dem Geräusch, das unser Aufstehen machte, fuhr der Richter herum. Reckel hielt die Laterne in unsere Richtung, damit er uns erkennen konnte. Bevor der Schatten darüberlief, sah ich in Girigels Gesicht den entsetztesten Ausdruck, den ich jemals an einem lebenden Menschen gesehen habe.
    »Guten Abend, Richter«, sagte ich.
    Ich hörte ihn aufschreien; so schreit ein wilder Eber, bevor er auf die Jäger losgeht, die ihn umzingelt haben. Es gab ein paar hastige Geräusche, das Licht geriet ins Schwanken und fiel zu Boden, und Moniwid stieß mich beiseite und stürzte nach vorne. Er versuchte, mit der Linken sein Schwert zu ziehen, aber er bekam es nicht aus der Scheide, und als er es endlich heraußen hatte, stieß er mit der rechten Schulter gegen einen Stein und keuchte vor Schmerz auf. Bis er eine Kampfposition gefunden hatte, war es zu spät.
    Einer von Girigels Begleitern hielt den alten Reckel umklammert. Er drückte etwas gegen seinen Hals. Als Girigel sich bückte und die Laterne aufhob, blinkte es kurz auf: Es war die Klinge eines langen Messers. Girigel hielt das Licht in Reckeis Gesicht, damit wir die Aussichtslosigkeit der Situation sahen. Moniwid machte eine unschlüssige Bewegung.
    »Laßt es bleiben«, sagte ich scharf. »Ihr habt keine Chance.«
    Er drehte sich zu mir um und fauchte mich an. Ich erwartete fast, er würde Reckeis Leben aufs Spiel setzen, um des Richters habhaft zu werden, aber er tat es doch nicht. Langsam ließ er das Schwert sinken.
    »Gut«, sagte Girigel rauh. Er wandte sich mir zu.
    »Habt Ihr das eingefädelt, Herr Bernward?«
    Ich nickte.
    »Ihr erstaunt mich«, sagte er.
    »Ich erstaune mich selbst immer wieder«, erwiderte ich.
    »Ihr habt alles

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