Der Tuchhändler (German Edition)
weiß.« Ich stellte mir vor, daß Reckel gemessen nickte. Plötzlich sagte er scharf und laut: »Meine Männer haben Euch gesehen, wie Ihr aus dieser Kirche kamt; allein. Hinein gingt Ihr mit der Frau, welche später tot aufgefunden wurde.«
»Lächerlich«, spie Girigel wütend hervor. »Ich weiß nicht, warum ich mir diesen Unsinn anhöre.«
»Weil ich sonst meine Geschichte überall verbreite«, erklärte Reckel gelassen.
»Meine Freunde könnten Euch zum Schweigen bringen«, sagte Girigel eisig.
»Warum sollten sie das, wo Ihr doch unschuldig seid.«
»Nehmen wir einmal an, Ihr hättet recht«, sagte Girigel nach einer langen Pause. »Wie habe ich denn die Polin umgebracht?«
»Ihr seid ein Krüppel«, sagte Reckel erbarmungslos. »Ihr habt sie gewürgt, aber Ihr hattet nicht die Kraft, die Arbeit so zu Ende zu bringen. Deshalb habt Ihr abgewartet, bis sie die Besinnung verlor, und Ihr dann den Hals umgedreht wie einer Henne.«
Moniwid zuckte zusammen, aber er beherrschte sich. Ich warf ihm einen besorgten Seitenblick zu.
»Und dann?« fragte der Richter mit rauher Stimme.
»Dann seid Ihr wieder zu Euch gekommen und habt erkannt, was Ihr angerichtet habt. Die Nichte des Polenkönigs lag tot zu Euren Füßen; nicht irgendeine Schlampe. Diesen Todesfall würde man gründlich untersuchen. Daher habt Ihr sie so zugerichtet, daß jeder auf die falsche Fährte kommen mußte: ein Mord aus Lust, eine Vergewaltigung. Ihr geht am Stock, Richter. Ich wette, dieser Stock hat eine große Rolle bei Eurer anschließenden Arbeit gespielt.«
Ich spürte, wie es mich bei diesen gefühllosen Worten würgte. So hatte ich mir die Geschehnisse noch gar nicht ausgemalt. Ich wünschte plötzlich, nichts mehr zu hören.
»Ihr konntet die Leiche nicht verschwinden lassen«, erklärte Reckel mit provozierender Stimme. »Wie sehr müßt Ihr Euren lahmen Arm verflucht haben; aber sie lag in diesem tiefen Loch, aus dem Ihr selbst nur mit Mühe herauskamt. Also wart Ihr zu dieser blutigen Komödie gezwungen.«
Die Stille, die daraufhin eintrat, war beängstigend. Beinahe wäre ich aufgesprungen und nach vorne geeilt. Ich glaubte fast, ich könne Girigels raschen Atem hören.
»Woher wißt Ihr das alles?« fragte der Richter zuletzt, und seine Stimme hörte sich krank an. »Steckt Ihr mit diesem Bernward unter einer Decke?«
Ich schrak zusammen, aber Reckel sagte mit der allergrößten Aufrichtigkeit: »Wer ist das?«
»Unwichtig«, stieß Girigel hervor. Ich konnte ihn regelrecht denken hören: Bernward, dieser Idiot, den uns Altdorf er aufgeschwatzt hat. Ich habe mich gleich darauf verlassen, daß er nichts herausfinden würde.
»Ihr gebt es also zu?« fragte Reckel.
Girigel antwortete nicht. Ich hörte ein leises Klopfen, das ich mir nicht erklären konnte, bis mir klarwurde, daß er mit seinem Stock auf den Boden schlug.
»Was habt Ihr nun vor?« fragte er.
»Ich denke, ich werde Euch dem Herzog und seinen Schergen ausliefern«, sagte Reckel.
»Ich könnte Euch für einen Sinneswandel reich belohnen«, erklärte Girigel zögernd.
»Richter!« sagte Reckel plötzlich und spie das Wort voller Verachtung heraus. Zum erstenmal erhob er seine Stimme. »Mit welchem Geld wollt Ihr mir denn das Maul stopfen? Mit meinem eigenen? Ich bin Euch ein halbes Menschenalter hinterhergerannt, weil Ihr das Erbteil meines Vaters an Euch gebracht habt. Ihr habt einen Mann zu Tode foltern lassen, weil Euch die Geldgier geblendet hat. Ihr habt die Nichte des Polenkönigs umgebracht und nichts verabscheut, um die Nachforschungen auf die falsche Spur zu lenken; Ihr habt meine Freunde entführt und auf die Folter gespannt, obwohl Ihr wußtet, daß das Verbrechen, für das Ihr sie foltern ließet, eigentlich Ihr begangen habt. Was habt Ihr dabei erfahren? Daß sie Euch beobachtet haben? Daß sie Euch seit Tagen nicht mehr aus den Augen gelassen haben? Warum, Richter, warum?«
Jetzt begann er zu schreien: die Wut trug ihn mit sich fort. »Habt Ihr Euch das gefragt, und sie konnten es Euch nicht sagen, selbst als Ihr ihnen die Glieder ausgerissen habt? Habt Ihr’s mit der Angst zu tun bekommen, Richter? Konntet Ihr nicht mehr richtig schlafen? Habt Ihr Euch gefragt, in welches Wespennest Ihr da getreten seid? Ich hoffe, daß Ihr vor Angst in Eurem Bett geweint habt, Richter, bevor Ihr den Beschluß faßtet, auch den Rest meiner Männer zu verhaften. Ich bin sicher, Ihr habt Eure Werkzeuge auch schon an ihnen ausprobiert! Und jener Unschuldige,
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