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Der Tuchhändler (German Edition)

Der Tuchhändler (German Edition)

Titel: Der Tuchhändler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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in seinem Atem riechen konnte.
    Reckel saß noch immer auf der Treppe, halb von seiner Laterne beleuchtet. Durch die Hälfte der Kirche von ihm getrennt, standen zwei halbwüchsige Jungen mit einer Fackel mitten auf dem Weg und klammerten sich in ihrem ersten Schreck aneinander. Ich verdrehte die Augen und hörte Moniwid neben mir die Luft ausstoßen. Es waren irgendwelche Spaßvögel, die sich einen Scherz in der halb fertiggestellten Kirche erlauben wollten.
    Reckel ließ die Klappe zurückfallen und tauchte sich selbst wieder zurück ins Dunkel.
    »Macht, daß ihr wegkommt«, grollte er mit unbeeindruckter Stimme. Die beiden Tunichtgute stammelten etwas und nahmen schleunigst Reißaus. In ihrem Schrecken ließen sie selbst die Fackel fallen. Reckel stand nach kurzem Zögern auf, ging zu ihr und trat sie aus. Den rauchenden Stumpen warf er zwischen die Bretterstapel.
    »Hoffentlich haben sie den Richter nicht vertrieben«, hörte ich mich sagen. Moniwid erwiderte etwas Polnisches darauf; es hörte sich nicht an wie eine Schmeichelei. Er ließ sich ächzend hinter unsere Deckung zurücksinken. Ich beobachtete, wie Reckel sich wieder niederließ, dann duckte ich mich auch hinter den Bretterstapel zurück. Der nächste Ankömmling kam ein paar Minuten später und wesentlich leiser. Es war der Richter, und er war in Begleitung zweier kräftiger Männer.
    Er war so schnell und unbemerkt gekommen, daß sowohl Moniwid als auch ich von seinem Erscheinen völlig überrascht wurden. Wir kauerten hinter den Brettern, als wir plötzlich das Zurückschnappen von Johannes Reckeis Laternendeckel hörten und seine Stimme schneidend sagte: »Ich bin hier.«
    Moniwid blickte überrascht auf. Er machte Anstalten, hinter der Deckung hochzuschnellen, aber ich packte ihn an seinem gesunden Arm und zog ihn wieder nach unten. Ich schüttelte heftig den Kopf. Er biß die Zähne zusammen und bleckte sie in meine Richtung, aber er versuchte nicht, sich meinem Griff zu entwinden. Mit eingezogenen Köpfen und kaum zu atmen wagend, hörten wir die Stimme des Richters: »Warum sprecht Ihr Latein?«
    Reckel sagte etwas auf Polnisch und fuhr dann auf Latein fort: »Ich kann Eure Sprache nicht sprechen. Deshalb habe ich Euch auch auf Latein geschrieben.«
    »Aber Ihr schriebt, Ihr wärt der Sohn von Dietrich Reckel.«
    »Das ist richtig. Ich bin in Böhmen aufgewachsen.«
    Girigel brummte etwas, das ich nicht verstand. Scheinbar gab er sich damit zufrieden. Ich verging vor Anspannung, wenigstens einen Blick nach draußen werfen zu können, wagte aber keine Bewegung zu machen. Ich stellte mir vor, wie sie vor dem Chorraum standen, durch ein paar Schritte voneinander getrennt, die hünenhafte Gestalt Johannes Reckeis und davor der dunkle, kleine, verkrüppelte Richter. Reckeis Gesicht würde durch seine Laterne halb erleuchtet sein. Girigel hatte nicht einmal eine Fackel dabei. Ich hörte ein paar Schritte scharren.
    »Wer sind die beiden Männer?« fragte Reckel.
    »Freunde.«
    »Seit wann?« fragte Reckel ironisch. »Seit Allerheiligen?«
    Girigel ließ sich nicht beirren.
    »Was wollt Ihr von mir?«
    »Das habe ich Euch in meinem Brief geschrieben.«
    »Ihr habt mir einige schwerwiegende Anschuldigungen an den Kopf geworfen, mit denen Ihr bei den hiesigen Stadtbehörden zu hausieren beabsichtigt.«
    »So ist es.«
    »Es ist Euch natürlich klar, daß keine davon zutrifft.«
    »Natürlich«, sagte Reckel. »Ihr seid auch nur deswegen so schnell nach Landshut gekommen, weil die Nächte hier so lau sind.« Girigel schwieg einen Moment. Ich glaubte fast hören zu können, wie sich die Gedanken hinter seinem schiefen Gesicht jagten.
    »Ich bin gekommen, weil mich der Fall mit der getöteten polnischen Gräfin im Moment stark beschäftigt«, sagte er dann. »Ich erhoffte mir von Euch einige Aufschlüsse darüber.«
    Ich stöhnte innerlich; er war gerissener, als ich gedacht hatte. Unwillkürlich sah ich zu Moniwid hinüber, der mich beinahe fröhlich angrinste. Ich hatte den Eindruck, es würde ihm Spaß machen, wenn wir mit dem Richter Schiffbruch erlitten.
    »Und was erhoffen sich die beiden Herren in Eurer Begleitung?« fragte Reckel.
    »Sie sind meine Freunde, wie ich bereits sagte«, erklärte der Richter kühl.
    »Nun gut; wenden wir uns dem anderen Thema meines Briefes zu. Wo habt Ihr das Geld meines Vaters gelassen?«
    »Ihr sprecht Eure weiteren Vorwürfe an«, erwiderte Girigel. »Ich muß Euch gestehen, daß ich darüber nicht das Geringste

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