Der Tuchhändler (German Edition)
kennengelernt zu haben – wenn ich mir auch wünschte, es wäre unter für Euch angenehmeren Umständen geschehen. Ich verdanke Euch viel.«
»Ihr übertreibt«, sagte ich.
»Nein, nein«, rief er. »Seht nur, mittlerweile ist sogar die herzogliche Verwaltung auf mich aufmerksam geworden. Man hat mir und einem Zunftgenossen hier in Landshut die alleinige Ausstattung der Hochzeitsfeierlichkeiten mit Arzneien übertragen. Fünfhundert Gulden sind uns dafür avisiert, daß wir Konfekt und Tryett gegen das Podagra liefern.«
»Wogegen?« fragte ich unwillkürlich. Er lächelte nicht ohne Schadenfreude.
»Das Podagra«, sagte er. »Es verschließt den Darm und läßt das Gift nicht mehr aus dem Körper, und die Gebeine werden mürbe und schwellen an. Auch unser Herzog leidet daran; manchmal, so heißt es, kann er sich nicht einmal ohne Hilfe vom Lager wälzen. Er kommt vom üppigen und zu vielen Essen; unser Konfekt hilft, die Stoffe wieder abzuführen.« Er lächelte gemütlich. »Wenn Ihr Euch gestopft fühlt wie eine Martinigans – ein paar Zeltln und Stritzerl, und Ihr düngt den Boden wie kein zweiter.«
»Ein gutes Geschäft«, lobte ich und fragte mich unwillkürlich, ob er diesen Satz auch zur Anpreisung seiner Ware an die Käufer verwandte. Er strahlte.
»Ich habe nur von Euch gelernt.«
Ich sagte ihm irgendeine Artigkeit zur Antwort, und er schüttelte wieder meine Hand und geleitete mich zur Tür. Ich verabschiedete mich auch von seinem Sohn; im Gegensatz zum Vater hatte er harte, lange Finger und einen fast schmerzhaften Händedruck.
»Ich danke Euch für Euer Entgegenkommen«, sagte ich. Er winkte ab.
»Meinem Vater liegt viel daran, und ich will ihm ein guter Sohn sein«, sagte er einfach.
Ich ging hinaus, und die beiden schlossen die Tür hinter mir. Der Nebel hatte sich verflüchtigt, und die Sonne lag auf den Hausfassaden, ohne sie zu wärmen. Innerhalb kurzer Zeit hatte ich mehr erreicht, als ich zu hoffen gewagt hatte; aber ich gewann nicht den Eindruck, daß ich selbst das Geschehen gesteuert hatte. Ich fühlte eine eisige Beklemmung. Hatte ich mich auf etwas eingelassen, das sich von mir auch nicht steuern ließ? Daneben spürte ich den bekannten Neid auf das gegenseitige Vertrauen, das Vater und Sohn eben vor mir demonstriert hatten. Am meisten aber fühlte ich Erstaunen, daß mir der Apotheker so bereitwillig helfen wollte. Er hatte sich wie ein Freund verhalten. Ich hatte immer gedacht, neben Hanns Altdorfer keinen Freund in der Stadt zu haben; vielleicht hatte ich eine Gelegenheit versäumt. Ich stand im hellen Schein der Morgensonne und fröstelte.
Hanns Altdorfer war im Rathaus; es war nicht anders zu erwarten gewesen. Die beiden Schreiber, die er beschäftigte, hatte er für den Feiertag nach Hause gesandt, er selbst hatte sich jedoch wieder am Ort seiner Arbeit eingefunden. Ich erinnerte mich, daß er gesagt hatte, der junge Herzog habe sein Haus für die Brautkammer auserkoren und er selbst würde nun Tag und Nacht im Rathaus verbringen. Sollte ich es ihm nicht geglaubt haben, hatte ich hier nun den Beweis.
Als ich in seine Kammer eintrat, sah ich ihn ruhelos auf und ab gehen. Das dick verglaste Fenster seiner Arbeitsstube ließ einen verzerrten Blick auf die gegenüberliegende Häuserreihe zu, deren bunte Fassaden im Sonnenlicht erstrahlten, aber er sah nicht hinaus. Er hielt den Blick auf den Bretterboden gerichtet und schien seine Schritte zu zählen. Bei meinem Eintreten blickte er auf; seine Augen waren groß und vor Erregung feucht.
»Mach die Tür zu«, sagte er statt einer Begrüßung. Ich folgte seinem Wunsch, und er trat auf mich zu und zog mich in eine Ecke des Raumes, obwohl niemand im Rathaus war, der uns hätte hören können.
»Ich habe die ganze Zeit hier auf dich gewartet. Was hast du bisher erreicht?«
»Ich habe die Leiche in einem leerstehenden Lager aufgebahrt, ohne daß es jemand bemerkt hätte. Nur der Verwalter ist eingeweiht, und ihm habe ich die Geschichte aufgebunden, die ich heute morgen schon dir und dem Richter erzählte.«
»Daß sie eine Badehure aus dem Frauenhaus war?«
»Ich habe mich über die Details nicht verbreitet«, antwortete ich unwillig.
»Wie wirst du jetzt weiter vorgehen? Du kannst sie nicht ewig in deinem Haus liegen lassen.«
»Noch heute vormittag wird eine Beerdigung auf meinem Hof stattfinden. Mein Gesinde ist so gut wie vollzählig in der Messe; niemand wird etwas bemerken. Ich habe mich an einen Mann in der Stadt
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