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Der Tuchhändler (German Edition)

Der Tuchhändler (German Edition)

Titel: Der Tuchhändler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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kannst es dir ja einmal ansehen. Martini ist in zehn Tagen; dann tanzen sie auf der Straße und feiern bis zum Umfallen. Dieses Jahr wird es wahrscheinlich noch weiter ausufern als üblich, mit der Ankunft der Prinzessin gleich danach. Ich habe schon gehört, daß sich das Tanzfieber bis zur Besessenheit gesteigert hat.«
    »Hier in Landshut?«
    »Eher drüben an der Grenze nach Brabant und Burgund, glaube ich. Unser Volk ist dafür wohl doch ein wenig zu schwerfällig. Aber manchmal habe ich schon gedacht, daß es gleich soweit sein wird und alle im Veitstanz herumspringen.«
    Es belustigte mich, ihn so sprechen zu hören. Vermutlich wußte er es nicht, aber in seinen Worten war jedesmal eine Mischung aus Verachtung und Mitgefühl für die einfachen Bauersleute zu hören, wenn er auf sie zu sprechen kam, und zugleich eine Art von ungläubigem Staunen, als könne er die Drolligkeit ihrer Gebräuche niemals zur Gänze verstehen. In diesem Punkt hatte er sich nicht geändert, seit wir uns kannten.
    »Wohin fahren diese Leute?« fragte ich.
    »Zum Dom. Seit das Gerüst das Langhaus freigegeben hat und man den Turm in die Höhe wachsen sieht, ist er ein gewaltiger Anziehungspunkt.«
    »Meister Stethaimer bekommt ein großes Publikum«, murmelte ich. Hanns Altdorfer sah mich von der Seite her an.
    »Er freut sich nicht gerade darüber«, sagte er. »Nach jedem Festtag, wenn die Bauern von außerhalb auf der Baustelle herumklettern und Maulaffen feilhalten, kommt er und beklagt sich bei mir. Steinmetzarbeiten werden beschädigt, Bretter und Werkzeuge gestohlen und angeblich unschuldige Bauernmägde hinter den Handwerkerbuden verführt.«
    Ich sah wieder zum Fenster hinaus. Wenn ich um den Rahmen herumspähte, konnte ich Sebastian Löws Haus erkennen; ich würde bald wieder hinübergehen müssen und den schweigsamen Totengräber zusammen mit Löws Sohn zu meinem Hof bringen. Mir wurde flau, als ich daran dachte, was danach geschehen würde: Eine rasche Untersuchung der Toten, ein heimlicher Transport in den hinteren Teil der unbebauten Fläche meines Grundstücks, eine flache Grube, in die der zerschundene Leib gesenkt wurde, ein kurzes Gebet. Ich stellte mir das Gesicht des Totengräbers vor; ich dachte es mir hager und voller Narben. Wieviel würde er dafür verlangen, daß er am Feiertag eine Leiche unter die Erde brachte und zu niemandem darüber sprach?
    Als hätte Hanns Altdorfer den letzten Teil meiner Gedanken verstanden, sagte er plötzlich: »Ich soll dir im Auftrag des Kanzlers mitteilen, daß sämtliche deiner Auslagen aus der herzoglichen Truhe beglichen werden.«
    »Darauf habe ich mich verlassen. Es mag sein, daß ich ein paar Bestechungsgelder zu bezahlen habe. Ich werde versuchen, nicht zu übertreiben.«
    »Wenn diese Hochzeit nur die Hälfte von dem kostet, was Doktor Mair und ich bis jetzt überschlagen haben, kannst du dir ein Söldnerheer mieten und dem Papst eine Grafschaft erobern helfen, und niemandem werden die Kosten auffallen. Doktor Mair rechnet mit mindestens fünfzigtausend rheinischen und ungarischen Gulden.«
    Ich wäre kein Kaufmann gewesen, wenn mich diese Zahl nicht wenigstens für den Augenblick aus meinen düsteren Gedanken gerissen hätte.
    »Wieviel?« keuchte ich. »Soviel Geld besitzt die ganze niederbayrische Kaufmannszunft nicht.«
    »Was glaubst du, was die Bewirtung all der Gäste kostet? Allein der Kaiser wird mit einem Gefolge von siebenhundert Pferden erwartet, und du weißt, daß er ein armer Kaiser ist. Er hat es sich zwar nicht nehmen lassen, den Boten unseres Herzogs die Zusage zu seiner persönlichen Einladung mit sechs Trompetern und vier Pfeifern bekanntzugeben, als sie in einer Herberge in Köln auf seine Erwiderung warteten, aber daraus sieht man nur, daß er gerne prätentiöser auftritt, als er es sich leisten kann.« Altdorf er lachte humorlos. »Der Markgraf von Brandenburg soll sogar mit der doppelten Menge Gefolge anreisen. Wahrscheinlich traut er dem Frieden nicht, den ihm der Herzog in der Einladung versprochen hat. Von den anderen Fürsten weiß ich noch nichts. Aber allein mit den Leuten dieser beiden Herren wird die Stadt einem Heerlager gleichen. Außerdem sollen wenigstens drei große Turniere veranstaltet werden.«
    »Dem Volk werden die Augen herausfallen vor Neid.«
    »Ich glaube kaum. Der Herzog hat Befehl gegeben, daß die Bürger die ganze Zeit freigehalten werden. Kein Wirt darf für Geld verköstigen, kein Metzger, kein Bäcker, kein Fischer

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