Der Tuchhändler (German Edition)
Fall war; ich hatte geplant, sein Schweigen mit dem Anreiz auf eine Geschäftsbeteiligung an meinem nächsten größeren Handel zu erkaufen, eine Geschäftsbeteiligung mit einem entsprechend hoch angesetzten Gewinn, den ich mir zu gegebener Zeit vom Kanzler des Herzogs wieder zurückzahlen lassen würde. Die Frage war, ob der Apotheker grundsätzlich so sehr daran interessiert war, daß er mir sein Schweigen in einer für ihn zumindest äußerst merkwürdigen Angelegenheit versichern würde – ob er überhaupt darauf eingehen würde, mir zu helfen, die Tote unter die Erde zu bringen. Ich wußte nicht, welche Geschichte ich ihm erzählen sollte, um sein Mißtrauen einzuschläfern, und ich wußte nicht, ob ich ihn nicht allzusehr beleidigen würde, wenn ich vor seinem Sohn nicht sprechen wollte. Ich hob die Arme und gab ein unartikuliertes Brummen von mir. Spätestens jetzt wurde mir schmerzhaft klar, daß ich meine Schritte genauer vorplanen mußte, wenn ich mich nicht in den tausend Fußangeln meiner Geschichte verfangen wollte.
Der Sohn des Apothekers unterbrach meine Gedanken: »Ich werde Euch besser alleine lassen«, und machte Anstalten zu gehen. Ich konnte deutlich erkennen, daß sein Vater irritiert war. Ich mußte eine Entscheidung treffen.
Hastig sagte ich: »Nein, bleibt hier. Entschuldigt, daß ich so lange nachgedacht habe; die Angelegenheit ist sehr delikat.«
Der junge Mann blieb unsicher stehen und sah abwechselnd von mir zu seinem Vater. Ich hatte den Eindruck, daß es ihm lieber gewesen wäre, wenn er hätte gehen können. Er fühlte sich deutlich unwillkommen. Ich versuchte ihn anzulächeln, um die plötzliche Beklemmung im Raum zu lösen. Schließlich überwand der Apotheker mit seiner Unbekümmertheit die ungute Atmosphäre. Er lächelte breit und sagte: »Was immer Euer Problem ist, gegen das Ihr Euch von meinen Arzneien Besserung erhofft, Ihr könnt es getrost auch meinem Jungen anvertrauen. Er ist Medicus.«
»Noch nicht, Vater. Noch nicht«, warf der junge Mann gequält ein, aber Löw tat es mit einem Kopfschütteln ab.
»Was habt Ihr für Beschwerden, Herr Bernward?«
Ich hörte mich beinahe sagen: Ich habe eine Leiche am Hals und kann sie nicht loswerden, und für einen Moment überwältigte mich die Idiotie einer solchen Szene derart, daß mich ein Kichern in der Kehle kitzelte. Ich schluckte es hinunter und sagte zögernd: »Ich brauche Euren Rat und Euer Versprechen, darüber absolutes Schweigen zu bewahren. Ihr könnt versichert sein, daß ich mich entsprechend erkenntlich zeigen werde.«
Er runzelte die Stirn, ging aber nicht weiter auf meine Versicherung ein. Mit gleichbleibender Freundlichkeit sagte er: »Beides steht Euch immer zur Verfügung.«
Ich hatte das Gefühl, ich müsse die Verhältnisse von Anfang an klarstellen. »Ich will Euch im Gegenzug an einem meiner nächsten Geschäfte mit einer einträglichen Marge beteiligen; höher, als irgendeinen anderen Teilhaber.«
Er seufzte, dann lächelte er erneut.
»Wißt Ihr«, sagte er, »Ihr seht die Dinge leider nicht ganz richtig. Ich bin an der Reihe, den Gegenzug zu machen. Ich schulde Euch mindestens einen Gefallen, und ich zahle ihn Euch mit der größten Freude zurück. Ganz abgesehen davon brauchte es diese Verpflichtung nicht einmal. Ich will Euch gerne behilflich sein, ob ich nun in Eurer Schuld stehe oder nicht.«
Er sah mich erwartungsvoll an, als wollte er sagen: Was ist nun, sprecht! Ich fragte: »Und ich kann mich auf Euer Stillschweigen verlassen?«
Er zuckte mit den Schultern und drehte die Handflächen nach außen; die Geste war beredt genug. Ich atmete tief ein, dachte an Hanns Altdorf er und Doktor Mair und hoffte inständig, das Richtige zu tun.
»Ein Mitglied meines Gesindes ist heute morgen ermordet aufgefunden worden«, sagte ich und setzte meine Worte so vorsichtig wie ein Blinder seine Füße. »Der Mörder hat ihr Gewalt angetan und sie dann erwürgt. Ich möchte, daß Ihr mir helft, sie ordentlich zu beerdigen.«
Er sah schockiert aus.
»Warum wollt Ihr das arme Ding nicht offiziell begraben?« fragte er.
»Ihre Eltern sind Geschäftspartner; ich hatte sie ihnen zu Gefallen in meinem Haus aufgenommen. Ich kann ihnen nicht einfach sagen: Eure Tochter ist unter meinem Dach geschändet und erschlagen worden. Es ist ihr einziges Kind; ich muß mir etwas anderes einfallen lassen.«
»Ihr wollt ihnen vermutlich auch den Anblick der Leiche ersparen.«
»Genau das.«
Löw drehte sich um und sah
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