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Der Tuchhändler (German Edition)

Der Tuchhändler (German Edition)

Titel: Der Tuchhändler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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gewandt, der absolut vertrauenswürdig ist.« Ich verkniff mir die Bemerkung, daß ich mir über die Richtigkeit meines Tuns durchaus nicht so sicher war. Ich wollte ihn nicht noch mehr beunruhigen, und vor allem wollte ich nicht etwas heraufbereden. Dinge beim Namen zu nennen heißt, ihrem Eintreten Tür und Tor zu öffnen.
    Er sah mich eine Weile schweigend an.
    »Du beerdigst sie auf deinem Hof; auf dem Friedhof hinter der Holunderhecke«, sagte er sanft. Es war diese Sanftheit in seiner Stimme, die meine Seele wieder Schmerzen ließ.
    »Genau dort«, erwiderte ich und bemühte mich, meine Stimme ruhig klingen zu lassen. Er antwortete nichts darauf. Vielleicht scheute er sich, noch tiefer in der Wunde zu bohren, von der er wußte, daß sie sich niemals richtig geschlossen hatte. Hinter der Holunderhecke lag das Grab meiner Frau und des toten Kindes, bei dessen Geburt sie ums Leben gekommen war.
    Ich sagte: »Hat jemand daran gedacht, Doktor Federkiel zu verständigen?«
    Er winkte ab. »Er ist ein Mitglied des Gefolges, das die Prinzessin in Wittenberg in Empfang genommen hat«, sagte er und lächelte schief. »Er ließ es sich nicht nehmen. Und da weder Herzog Ludwig noch der junge Georg an diesem Gefolge teilnehmen, kann es nicht schaden, wenn seine Eitelkeit wenigstens ein bißchen Glanz verbreitet. Die Peinlichkeit, daß weder der Bräutigam noch sein Vater die Braut in Empfang nehmen wollen, ist ohnehin schon groß genug, nicht wahr? Vermutlich mußte zudem dem Doktor Federkiel ein kleiner Ausgleich dafür geschaffen werden, daß nicht er, sondern der Bischof von Salzburg die Trauung vornimmt.«
    Ich hob die Augenbrauen. Altdorfer fuhr fort: »Doktor Mair hat mir die Zusammenstellung des Empfangskomitees damit erklärt, daß der Herzog und sein Sohn auf der Burg alles für die Ankunft des Kaisers vorbereiten und deshalb unabkömmlich seien. Auf der anderen Seite ist es so, daß der Kaiser und sein Sohn im Zollhaus hier in der Stadt logieren werden. Nun, ich denke, er weiß, wovon er redet.«
    Er seufzte und wandte sich wieder dem Grund zu, dessentwegen ich ihn aufgesucht hatte.
    »Der Stellvertreter des guten Doktor Federkiel ist von den ganzen Aktivitäten heute nacht nicht einmal wach geworden«, sagte er. »Richter Girigel hat ihn mittlerweile besucht und ihm erklärt, daß wir Sicherheitsmaßnahmen für die Trauung des jungen Herzog geprobt hätten.«
    »Nicht schlecht, Hanns. Nur daß wir jetzt schon eine vierte Version des nächtlichen Geschehens in Umlauf haben. Ich habe auch zwei unterschiedliche Varianten erfunden.«
    Er legte die Stirn in Falten. »Hältst du es für bedenklich?« fragte er unruhig.
    »Ich weiß nicht«, sagte ich ehrlich. »Vielleicht ist es ganz nützlich, mehrere verschiedene Gerüchte zu streuen, die sich gegenseitig neutralisieren können. Aber ich beginne den Überblick zu verlieren, und das halte ich für gefährlich.«
    »Wir werden uns künftig aus allem heraushalten«, versprach er, »und die Angelegenheit dir überlassen.«
    Ich nickte unglücklich. »So muß es wohl sein.«
    Er hob die Hände halb und ließ sie wieder fallen. Als ich nichts sagte, wandte er sich ab und sah nun doch zum Fenster hinaus. Ich war mir sicher, daß er die strahlenden Häuserfassaden gegenüber kaum wahrnahm. Ich hoffte, er würde sich nicht dafür entschuldigen, daß er sich an mich gewandt hatte; er tat es nicht. Nach einem Moment trat ich neben ihn. Diejenigen Bauernkarren, die ich vor den Stadttoren getroffen hatte, waren schon längst vorbeigerumpelt, während ich noch mit dem Apotheker gesprochen hatte; jetzt kamen weitere, und eine Menge Volk zu Fuß. Alle strebten dem Neubau des Doms zu.
    Ich sagte: »Das sieht beinahe aus wie der Beginn eines Bauernaufstands.«
    »Du kommst zu selten in die Stadt. So ist es an jedem Feiertag; wenn nicht gerade Allerheiligen und Tanzverbot wäre, könntest du sogar noch viel mehr Volk sehen. Keine Gefahr, daß jemand eine Fahne mit dem Bundschuh schwenkt und reiche Kaufleute und Patrizier verprügelt.«
    »Oder die Gäule der Adligen füttern geht«, sagte ich. Er sah mich verständnislos an, und ich mußte gegen meinen Willen lächeln.
    »Gibt es nicht einen Bauernspruch, daß der Herrgott die Gäule beschützen möge, sonst würden die reichen Herren noch auf den Bauern reiten?«
    Er schnaubte und wies mit dem Daumen über die Schulter zum Fenster hinaus.
    »Wenn das Namensfest von Sankt Martin ansteht, wird hier eine gewaltige Kirmes abgehalten. Du

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