Der Tuchhändler (German Edition)
irgend etwas verkaufen.«
»So langsam«, sagte ich, »rechnen sich die Kosten zusammen.«
»Der Herzog wird nachher ruiniert sein. Meines Wissens hat er selbst einen Teil der Mitgift für die Prinzessin in die Kosten eingerechnet. Du siehst, das Gelingen dieser Hochzeit ist auch eine Geldfrage.«
»Alles ist letztlich eine Geldfrage«, sagte ich garstig.
»Die Philosophie eines Kaufmanns«, erwiderte er mit einem leisen Hauch seines gewohnten Humors. Ich lächelte müde, und er schloß die Augen und nickte verständnisvoll.
»Hast du geschlafen seit heute morgen?«
»Mit einer heimlichen Leiche in einem Lagerraum? Und du?«
»Weder geschlafen noch gegessen«, seufzte er. »Nicht, daß ich hungrig wäre. Aber müde bin ich doch.«
»Ich werde wieder aufbrechen. Ich muß noch einer Beerdigung beiwohnen. Ich halte dich auf dem laufenden, Hanns.«
Er nahm meinen Oberarm und drückte ihn leicht.
»Ich weiß, daß es schmerzhaft ist für dich«, sagte er. »Wenn du das Gefühl hast, du störst die letzte Ruhestätte Marias, dann begrabe sie anderswo.«
»Es ist schon in Ordnung«, erwiderte ich nicht ganz ehrlich. »Mach dir keine Gedanken.«
Er geleitete mich bis zur Tür.
»Würdest du Herrn Moniwid auch verständigen?« fragte er.
Ich drehte mich nochmals zu ihm um.
»Wenn mich nicht alles täuscht, logiert seit dem letzten Sommer im Haus des Walther vom Feld ein Botschafter des polnischen Königs«, sagte ich. »Ich dachte, Moniwid sei ihm unterstellt. Wann willst du ihn informieren?«
»Überhaupt nicht, hoffe ich«, seufzte Altdorfer.
»Weshalb nicht? Schlimmer als Moniwid kann er auch nicht sein; und auf jeden Fall wird er über mehr Einfluß verfügen als jener.«
»Er hat gar keinen Einfluß«, stellte Altdorfer unwillig richtig. »Er ist ein alter Trunkenbold, der seinen Mägden unter die Röcke greift und dem Herzog auf der Tasche liegt, seit dieser ihm bei seiner Ankunft ein edles Pferd zum Geschenk machte. Doktor Mair sagte, er habe ihn noch keinen einzigen Tag nüchtern gesehen. Wir müssen uns schon an Albert Moniwid halten.«
»Das habe ich befürchtet«, sagte ich düster. »Ich kann nicht garantieren, daß ich ihn bei unserer nächsten Begegnung nicht anspringe.«
Altdorfer machte ein mißbilligendes Gesicht.
»Wir müssen uns gut mit ihm stellen, sonst setzt er sich noch über unsere Abmachung hinweg«, ermahnte er mich ernst. »Er ist ein äußerst einflußreicher und finanziell unabhängiger Mann. Man hört, daß er mit dem Troß der Prinzessin in Wittenberg eingezogen ist wie der König selbst, mit einem gewaltigen Hengst, der mit einem goldenen Tuch voller Perlen bedeckt war; sein Knappe trug ein Kleid aus derselben Machart.«
»Er hat einen unaufdringlichen Geschmack, wie mir scheint«, sagte ich boshaft. »Aber ich wollte ihn ohnehin aufsuchen und seine Erlaubnis erwirken, mit seiner Gesandtschaft zu sprechen, um mehr über die Tote zu erfahren. Ich wette, er hat sowohl gut geschlafen als auch gut gegessen und fühlt sich wohl bei dem Gedanken, wie wir uns hier abmühen.«
»Es ist eine seiner Schutzbefohlenen ermordet worden, vergiß das nicht. Ich glaube nicht, daß er die Sache auf die leichte Schulter nimmt.«
»Ach was«, sagte ich. »Er hat eine diebische Freude dabei, die Schweißtropfen auf unseren Stirnen zu zählen.«
»Du magst ihn nur nicht«, stellte Altdorfer fest.
»Sehr richtig«, sagte ich und griff nach der Tür. »Und das ist das einzige an der ganzen Geschichte, das mir kein Magendrücken verursacht.«
Sebastian Löw hatte seine Aussage, er würde sich gerne um meine Probleme bemühen, wahr gemacht; als ich wieder bei ihm vorsprach, befand sich der Totengräber bereits bei ihm. Er hatte ihn wahrscheinlich durch die Hintertür ins Haus gelassen. Der Totengräber enttäuschte mich in einer Hinsicht: Er war ein kleiner Mann mit einem runden Gesicht und einer strahlenden Stirnglatze. Was seine Schweigsamkeit anging, war er keine Enttäuschung; er nickte nur knapp zu meiner Begrüßung und äußerte weder Erstaunen noch Unmut über seinen ungewöhnlichen Auftrag. Seine hellen Augen hielten meine einen Augenblick lang ohne jede Anteilnahme fest, bevor sich ihr Blick wieder in die Ferne richtete. Die Augenwinkel selbst waren gänzlich ohne Falten. Er schien kaum jemals zu lachen. Plötzlich war ich froh, daß dieser Mann niemanden unter die Erde brachte, der mir nahestand.
Ich führte ihn und den jungen Löw zu meinem Hof zurück, gegen den beständigen
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