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Der Tuchhändler (German Edition)

Der Tuchhändler (German Edition)

Titel: Der Tuchhändler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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kiesigen Schwemmlandstück zwischen der in ihrem flachen Bett vielfach verzweigten Isar und den steilen Abhängen der südlichen Hangleiten gelegen, vermittelte die Stadt ihren Bewohnern das angenehme Gefühl der Sicherheit, das denjenigen beschert ist, die sich von allen Seiten behütet wissen. Sichtbarer Ausdruck dieses Gefühls war der sorglose Umgang mit der Stadtmauer, in deren langgestreckte Trapezform nicht nur Tore in jede Himmelsrichtung gebrochen waren, sondern auch eine Anzahl kleinerer Mannlöcher, die von verschiedenen Zünften benutzt wurden, deren Arbeitsplätze direkt außerhalb der Stadtmauern lagen.
    Mit der neuerbauten Kirche zum Heiligen Geist an ihrem Nordende, dem emporstrebenden Martinsdom im Süden und der Kirche des Sankt Jobst im äußersten Osten beherbergte die Herzogsstadt drei gewaltige Sakralbauten in ihren Mauern; dazu die drei Klöster der Franziskaner, der Dominikaner und der Malteser. Jeder weiß, daß nur der Reichtum einer Stadt die Barfüßerorden anzieht; wem dies aber noch nicht als Beweis für den Wohlstand der Herzogsstadt genügte, mochte sich die Viertel ansehen, die die Häuser der Bewohner aufnahmen.
    Auf der Kiesaufschüttung im Süden, auf der die Stadt ursprünglich entstanden war, lagen die Quartiere der herzoglichen Waffen- und Rüstungsschmiede und die Wirtschaftsgebäude der Burg. Die Stadtwohnung des Herzogs bildete dort ein zusätzliches, fast eigenes Viertel, das Herzog Ludwig von seinem Vater Heinrich übernommen und weiter ausgebaut hatte. Die Häuser der herzoglichen Beamten schlossen sich daran an und zogen sich bis zum Fuß des Martinsdoms. Danach führte die Hauptstraße, die man allgemein als Altstadt bezeichnete, mit ihren reichen Bürgerhäusern und deren eigenwilligen Laubengängen, mit Lagerhäusern, Gasthöfen und Handelsgewerben geradewegs in Richtung Norden bis zum Spitaler Turm, jenem Torbau, der den innersten Bereich der Stadt nochmals zum Hospiz und der Heilig-Geist-Kirche hin abschirmte. Parallel zu ihr lief die Neustadt, ebenso von hochaufragenden, bunten Fassaden der Patrizierhäuser eingerahmt, deren Besitzer ihre bisherigen Gebäude in der Altstadt verkauft hatten, um in der Neustadt größer und prunkvoller bauen zu können. Zuletzt war die Freyung um die Kirche des Heiligen Jobst entstanden, ein steuerfreier Bereich, der die dort neu angesiedelten Bürger für zehn Jahre von sämtlichen Abgaben befreit hatte.
    Unter seinen Vorgängern war Landshut gewachsen; mit Herzog Heinrich, dem Vater des jetzigen Herzogs, war um die Jahrhundertwende der Wohlstand in die Stadt gekommen; sein Beiname war noch zu seinen Lebzeiten »der Reiche« gewesen. Sein Sohn Ludwig teilte sich mit ihm diese Ehre. Der junge Georg würde dereinst einen Pfrund erben, angesichts dessen Kaiser und Könige vor Neid erblassen konnten und der einen nicht zu unterschätzenden Machtfaktor im Flickwerkgefüge des Reichs darstellte. Herzog Ludwig hatte sich bereits einmal gegen Kaiser Friedrich gestellt und sich als Königsmacher zu etablieren versucht; damit hatte er einen der Anstöße zu jenem Krieg gegeben, in dessen Auswirkungen auch ich vor zwölf Jahren hineingezogen worden war. Nicht wenige munkelten, daß er mit der bevorstehenden Verheiratung seines Sohnes einen neuerlichen Versuch dazu wagen mochte, des Kaisers Macht zu beschneiden. Es war die Art von Gerede, das immer dann voller Häme in die Welt gesetzt wird, wenn ein Mächtiger von seiner persönlichen Statur her nicht imstande scheint, sein großes Amt auszufüllen; und Kaiser Friedrich, der die meiste Zeit mit alchemistischen Übungen am Hof zu Graz verbrachte, schien eine geradezu auserlesene Zielscheibe dafür zu sein.
    Die Stadt konnte von derlei Gerede nur profitieren; in ihrem Herzen arbeiteten schon jetzt, weniger als eine Generation nach Herzog Heinrichs des Reichen Tod, die besten Schnitzer, Goldschmiede und Rüstungsmacher in weitem Umkreis, zudem zwei der verehrtesten Baumeister der Zeit. Außerhalb der Stadtmauer hatte sich der ausgedehnte Bereich der Handwerker etabliert, deren Kunstfertigkeit sie über die Grenzen ihres Herzogtums hinaus bekannt werden ließ. Zuletzt hatten sich die Tuchmacher mit ihren Bleichmühlen auf dem südwestlichen Ende der großen Flußinsel niedergelassen, zwischen den hölzernen Isarbrücken, über die die Straße nach Norden hinaus führte. Nicht wenige Kaufleute erwarteten, daß ihre Produkte bald den Venezianer Stoffen den Rang ablaufen würden. In dieser Hinsicht

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