Der Tuchhändler (German Edition)
war ich skeptisch, aber das Ansehen der Tuchmachergilde war so groß, daß man für ihre Mühlen einen Kanal quer über die Flußinsel gegraben und danach ein eigenes kleines Türchen in der Nähe des Zerrertores in die Stadtmauer gebrochen hatte, damit sie diese bequem erreichen konnten. Sie stellten ihre eigene Wache dafür und hüteten auch selbst dessen Schlüssel.
Es war nicht zu bezweifeln, daß die Stadt, die vor mir im Herbstsonnenschein lag, bald zu den mächtigsten und schönsten im Deutschen Reiche zählen würde.
Solange nichts Unvorhergesehenes passierte.
Herzog Ludwig hatte sein Stadthaus für die polnische Delegation zur Verfügung gestellt. Die weiträumigen Gebäude mit einem Innenhof bildeten fast ein kleines Dorf für sich innerhalb der Stadtgrenzen; oder eher eine Festung, die in ihrem Grundriß der Burg auf dem steilen Hügel überhalb der Stadt glich. Tatsächlich galt dort der Burgfrieden als Gesetz, nicht die Statuten der Stadt, und hätten sich die Landshuter Bürger zu der Dummheit verstiegen, den Herzog in seinem Stadthaus belagern zu wollen, hätte er es mit seinem Gefolge eine ganze Weile darin ausgehalten, bevor die Lage für ihn ernst geworden wäre. Es gab mehrere Wirtschaftsgebäude, Stallungen und kleinere Vorratsspeicher und ein wuchtiges Wohngebäude, in dem sich eine gut bestückte Rüstkammer verbarg. Hier befand sich auch der Eingang, direkt neben den gewaltigen hölzernen Schließflügeln des Ländtores. Vor seiner Bebauung hatte man das Gebiet Krähenland geheißen. Der Name schien mir nicht schlecht gewählt. Heute erhoben sich dort neben dem Herzogshof die Häuser der meisten höhergestellten Beamten Ludwigs des Reichen, die einem in ihren dunklen Prachtgewändern und ihren blasierten Gesichtern ebenfalls wie Krähen vorkamen; gleich ihnen stocherten sie ihren Lebensunterhalt aus dem Mist der größeren Tiere. Das Haus des Doktor Mair war auch dort zu finden, mit seiner Vorderfront zum Neubau des Doms weisend, mit seinem hinteren Teil direkt an die Gebäude des Herzogs angrenzend. Neben der ehemaligen jüdischen Synagoge hatte der Herzog seinen Hauptkasten errichten lassen, ein gewaltiges Lagerhaus, in dem die Zehntleistungen seiner Untertanen einlagert wurden und das erst vor fünf Jahren endgültig fertiggestellt worden war – immerhin zwanzig Jahre, nachdem Ludwig der Reiche den Herzogsstuhl in Besitz genommen hatte. Das gesamte Süd viertel der Stadt diente dem Unterhalt und dem Betrieb der Burg, die über ihm dräute. Es war kein Wunder, daß es die Beamten des Herzogs für richtig gehalten hatten, die polnischen Ritter dort einzuquartieren.
Die Polen hatten sich ihre eigenen Gesetzmäßigkeiten in ihrem Bereich geschaffen; sie hatten sogar Wachen vor dem Zugangstor stehen, die den Eintritt nach ihrem Gutdünken verweigerten. Es war die zweite Kontrolle, die ich zu passieren hatte: Eine in einem lockeren Ring um die Residenz des Herzogs angelegte Patrouille hatte mich schon am Anfang der zum Ländtor führenden Gasse abgefangen und kurz befragt. Moniwids Namen kannten sie; nach kurzer Beratung mit einem Leutnant, der aus seinem Quartier neben Doktor Mairs Haus kam, ließen sie mich durch. Auch sie waren Ortsfremde und sprachen im schleppenden Dialekt des oberen Rottals.
Die Wache der Polen bestand aus drei Männern, die mich mit geschwollenen Augen musterten und die dem Anschein nach die Freigebigkeit des Herzogs in der letzten Nacht an seinen Weinvorräten erprobt hatten; sie waren entsprechend schlecht gelaunt und übernächtigt. Ich mußte einigen Nachdruck in meine Bitte legen, zu Albert Moniwid vorgelassen zu werden, bis sich einer von ihnen bequemte, den Anführer der Gesandtschaft selbst zu fragen. Er kroch mit aufreizender Langsamkeit über den strohbestreuten Innenhof und verschwand um die Ecke des Wohngebäudes. Keiner der Männer sprach bayrisch – ebensowenig wie Latein. Es war kein leichtes gewesen, ihnen den Zweck meines Besuchs klarzumachen. Während wir auf die Rückkehr des Boten warteten, sahen mich die übriggebliebenen Wachen ungnädig und schweigsam an. Ab und zu warfen sie sich Bemerkungen auf polnisch zu, und ich hatte den Verdacht, daß sie wenig Schmeichelhaftes über meine Person enthielten. Schließlich kehrte der dritte Wächter zurück und machte mir klar, daß er mich zu Herrn Moniwid bringen würde. Ich ließ mein Pferd in der Obhut der Wächter zurück. Die Kennerblicke und zärtlichen Gesten, mit denen sie es zu einem Pferch
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