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Der Tuchhändler (German Edition)

Der Tuchhändler (German Edition)

Titel: Der Tuchhändler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Herren auf der Burg und hier unten in der Stadt daraus für Unheil erwachsen kann, schert mich weniger, und wenn es Unfrieden und Tod bedeutet, werden jene ganz oben verschont bleiben, jene ganz unten sterben müssen und ich etwas mehr Arbeit haben als zu anderen Zeiten. Ihr seht also, daß es mich nicht bekümmern muß, was daraus wird – ich habe weder einen Vorteil, wenn dieser Mord bekannt wird, noch habe ich einen, wenn Ihr ihn unter der Decke halten könnt. Aber ganz abgesehen davon gibt es niemanden, der sich für eine Geschichte aus meinem Mund interessieren würde. Auf mein Schweigen könnt Ihr also zählen, Kaufmann.«
    »Wird denn niemand nach dem Mörder suchen?« fragte der junge Löw mit jugendlich empörter Naivität.
    »Er wurde bereits nach Burghausen gebracht«, log ich. Ich wollte vermeiden, daß ihn seine Neugier dazu trieb, in der Sache herumzuschnüffeln, wenn er erst seinen Schrecken überwunden hatte. Er nickte nochmals und fragte: »Wer war es?«
    »Werdet Ihr es mir verübeln, wenn ich Euch den Namen verschweige?«
    Er hob die Arme und lächelte beinahe.
    »Nein«, sagte er. »Ich hoffe nur, man wird ihn seiner gerechten Strafe zuführen!« Er senkte den Kopf und betrachtete den Körper der jungen Frau. Ich nutzte die Gelegenheit und trat von der Bahre zurück. Ich hatte schon zuviel Zeit in unmittelbarer Gegenwart dieses Leichnams verbracht.
    Nach einer Weile hob er den Kopf wieder und sagte: »Ich habe Euch mit meiner Aufdringlichkeit in Verlegenheit gebracht, Herr Bernward. Wenn ich Euch nicht die Totenurkunde aufgedrängt hätte, wäre dieses Gespräch niemals nötig gewesen.«
    Ich hob die Arme und lächelte ihn schief an. Bei mir selbst dachte ich voller Grimm: Und ich hätte niemals erfahren, welche Mühe sich der Mörder gegeben hat, uns alle an der Nase herumzuführen.

3
    U m die Vesperstunde war die polnische Gräfin begraben, ein Gebet aus dem Munde meines Verwalters gesprochen und der junge Löw samt dem Totengräber wieder zurück in der Stadt. Die Ermordete ruhte nun, ihr Leib beschützt von einem schlichten hölzernen Kreuz, neben Maria und meinem vierten Kind. Ich hatte mich davor gefürchtet, der Arbeit eines Totengräbers an diesem Ort zuzusehen, der zugleich meine Vergangenheit und meine Zukunft unter feuchter Erde begraben hielt; aber es war weniger schlimm gewesen, als ich gedacht hatte. Tatsächlich fühlte ich eine vage Beruhigung, als der Totengräber den niedrigen Erdhügel über dem Leichnam festklopfte, sich dann aufrichtete und das Kreuzzeichen schlug. Ich dachte: Herr, ich habe meine Schuldigkeit an ihr getan, und es wurde mir ein wenig leichter ums Herz. Der Verwalter begleitete mich zurück zum Wohngebäude. Wir nahmen eine schweigende Mahlzeit inmitten meines aus der Stadt wieder heimgekehrten Gesindes ein, dem unsere Stille inmitten ihres aufgeregten Stimmengewirrs und ihrer fröhlichen Erzählungen über die Gewaltigkeit des neuen Kirchenbaus nicht auffiel. Nach dem Essen war ich endlich allein, und ich war dankbar dafür.
    Ich fuhr mir mit der Hand über das Gesicht und spürte die Taubheit meiner Haut; als ich die Augen schloß, war es ein gutes Gefühl, sie geschlossen zu halten. Ich versuchte, meine nächsten Schritte zu planen, aber meine Gedanken glichen einem wilden Strudel. Es gab nur noch eine Aufgabe, für die ich heute genügend Energie übrig hatte. Ich schickte nach meinen Verwalter.
    »Wollt Ihr noch die Unterlagen wegen des Stoffgeschäftes mit mir durchgehen?« fragte er. Ich schüttelte den Kopf.
    »Nein, ich bin zu müde«, sagte ich. »Ich wollte dir nur mitteilen, daß ich in der Stadt eine Messe für meine verstorbene Frau bestellt habe; ich will ihr noch beiwohnen, dann komme ich zurück und gehe zu Bett. Wir sprechen uns morgen über unser weiteres Vorgehen ab.«
    »Ich werde das Gesinde ein Paternoster für Eure Frau beten lassen.«
    »Ich danke dir«, sagte ich. Er zuckte mit den Schultern. Ich sah in sein Gesicht und ahnte seine nächste Frage voraus.
    »Laß zwei Paternoster beten«, ordnete ich an, und er nickte betrübt, ohne den wirklichen Grund für meine grimmige Miene zu verstehen. Ich schritt aus der Stube, ohne mich noch einmal umzusehen, zog mich um, bestieg mein Pferd und ritt zur Stadt.
    Die ganze Zeit während der kurzen Messe in der Kirche zum Heiligen Geist vermochte ich den Frieden nicht zu finden, der sich in den letzten Jahren beim Besuch von Marias Totenmessen nach und nach eingestellt hatte. Es waren die

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