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Der Tuchhändler (German Edition)

Der Tuchhändler (German Edition)

Titel: Der Tuchhändler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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hindeutet, daß der Täter unter den Polen zu finden ist.«
    »Großer Gott. Hast du schon mit Moniwid gesprochen?«
    »Ich komme gerade von ihm. Er hat mir erlaubt, mich unter seinen Leuten umzuhören.«
    Er konnte sich nicht verkneifen, die nächste Frage zu stellen. »Glaubst du, er hat selbst etwas damit zu tun?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte ich ehrlich. »Wenn, dann traut er mir entweder so gut wie gar nichts zu, oder er hofft, auf diese Weise jeden Hinweis auf seine Person zerstreuen zu können.«
    »Ich glaube«, sagte Altdorfer dumpf, »wir sollten sofort den Kanzler und den Richter informieren.«
    Ich nickte langsam.
    »Und sie warnen«, setzte ich hinzu.
    Er starrte mich an. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen.
    »Was meinst du damit?«
    »Wer auch immer der Täter war: Er liegt sicher auf der Lauer und wartet auf den Aufruhr, der nach dem Fund der Toten in der Stadt ausbrechen sollte. Mittlerweile dürfte ihm klar sein, daß seine Absicht durchkreuzt wurde. Entweder er versucht es ein zweites Mal, oder er versucht, die Verschleierung des Mordes ungeschehen zu machen.«
    Altdorfer kniff die Augen zusammen und massierte seinen Hals.
    »Du denkst, wir sind in Gefahr.«
    »Ich halte es für möglich.«
    »Um Gottes willen«, stieß er nochmals hervor. »Du sagst das, als würde es dich nichts angehen.«
    Ich schnaubte unlustig. Tatsächlich hatte ich seit dem Morgen an nichts anderes mehr gedacht.
    »Wir müssen ihn so schnell wie möglich finden«, sagte Altdorfer mit unsicherer Stimme.
    »Ja«, erwiderte ich. »Jetzt haben wir nicht mehr nur Albert Moniwids Drohung als Motivation.«
    Wir verließen Hanns Altdorfers Amtsstube und suchten den Richter auf. Es war ein vergeblicher Weg: Einer seiner Schreiber teilte uns mit, Girigel sei noch am Allerheiligentag abends nach Burghausen gerufen worden. Er habe jedoch eine Nachricht für den Stadtkämmerer hinterlassen.
    Altdorfer nahm das versiegelte Schreiben entgegen und trug es zu einem Fenster. Während er las, blickte ich ihm über die Schulter. Es waren nur ein paar hastige Zeilen in einer eckigen Handschrift daraufgeworfen, die besagten, daß Richter Girigel hoffe, so schnell wie möglich nach Landshut zurückkehren zu können und daß wir ihn derweilen über die Fortschritte unterrichten möchten; seine Brieftauben stünden uns zur Verfügung. Er hatte unverbindlich formuliert – wir würden das Schreiben zur Not als Legitimation vorweisen können, wenn wir seine Brieftauben wirklich benötigten. Altdorfer rollte es zusammen und wollte es einstecken. Nach einem Moment des Zögerns streckte er es jedoch mir entgegen.
    »Du wirst es eher brauchen als ich«, murmelte er.
    Der Kanzler war ebensowenig zu erreichen. Nachdem Hanns Altdorfer seinen Namen genannt hatte, führte uns ein Knecht zu seiner Frau, und wir erfuhren, daß der Kanzler in den nächsten Tagen in Eching weilen würde, um die Formalitäten für die letzte Rast der polnischen Prinzessin zu klären. Er ließe uns ausrichten, daß er uns viel Glück für die geschäftliche Transaktion wünsche und bedauere, uns derzeit nicht mit seinem Rat weiterhelfen zu können. Er hatte nicht einmal seine Frau in den Fall eingeweiht. Wir verabschiedeten uns von ihr und kehrten zum Rathaus zurück.
    Im Stadtzentrum hatte sich mittlerweile ein staunenswertes Spektakel entwickelt; die breite Altstadt war erfüllt von menschlichem und tierischem Lärm. Ich blieb abrupt stehen, um zu schauen, und Hanns Altdorfer, der unbeeindruckt weitergegangen war, drehte sich zu mir um und lächelte dann. Er sagte etwas, das ich auf Anhieb nicht verstehen konnte, aber seine Geste und die Bewegung seiner Lippen verrieten mir, was er gemeint hatte: »Jetzt geht es los.«
    Eine lange Reihe von Bauernkarren zog sich vom Spitaler Tor bis zum Rathaus herauf; ihre hohen, teilweise mit Eisen beschlagenen Räder ratterten erbärmlich über das bucklige Pflaster. Sie bewegten sich im Schrittempo voran, von mächtigen, im Gedränge unruhig werdenden Ochsen gezogen, denen die Pfiffe und die schnalzenden Peitschen der Wagenlenker im Nacken saßen. Die Wagen reihten sich dicht an dicht, und wo sich eine Lücke zwischen ihnen auf tat, wurde sie von einer Schar schnatternder Gänse, kleineren Herden wild ausschlagender Lämmer und aneinandergebundener Kälber ausgefüllt. Sie hatten ihre eigenen Treiber, die mit lauten Rufen und gellendem Pfeifen dafür sorgten, daß die Tiere sich in die richtige Richtung bewegten; da und dort sprangen

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