Der Tuchhändler (German Edition)
Hochzeit dort untergebracht sind.«
Ich nickte und betrachtete den Plan wieder. Unter den roten Namen waren besonders viele ausgekratzte Stellen; scheinbar war es nicht leicht, eine endgültige Belegung vorzunehmen. Ich befeuchtete einen Finger und tupfte leicht an einen der Namen; die Tusche war sicher noch keine zwei Tage alt.
»Sieh her«, sagte Hanns Altdorfer und wies auf die Stelle, an der die Stadtresidenz Herzog Ludwigs eingezeichnet war: Ich sah in Schwarz den Namen Ludvicus Dux und daneben, in Rot, in schlichter Stilisierung den Adler des polnischen Wappens. »Hier logiert die Delegation von Albert Moniwid.«
Ich fuhr mit dem Finger über die Karte, bis ich das Haus Walthers vom Feld erreichte; auch hier war wieder der kleine rote Adler zu sehen. Ich warf einen Blick aus dem Augenwinkel zu Hanns Altdorfer, aber er wartete nicht auf mein Lob, sondern suchte bereits nach weiteren Eintragungen mit dem gekritzelten Wappen.
»Ich mache nicht alle Einträge selbst«, sagte er entschuldigend. »Eigentlich ist der Stellvertreter von Richter Girigel, Wilhelm Trennbeck, mit der Zuweisung der Logis befaßt, und ich habe mit ihm vereinbart, daß er jede neue Information sofort an meine Schreiber weitergibt, die diesen Plan vervollständigen.«
Er bewegte den Finger in einer Schlangenlinie zwischen den beiden Häuserreihen der Altstadt hin und her und fuhr vom Judentor bis zur Heilig-Geist-Kirche langsam alle Einträge ab. »Hier ist nichts«, murmelte er.
Ich folgte seiner planmäßigen Suche unwillkürlich mit den Augen, aber schon gegenüber des Rathauses stieß ich auf einen weiteren Namen, der mir auffiel.
»Fridericus Rex«, sagte ich erstaunt. »Soll das bedeuten, daß der Kaiser schon in der Stadt ist?«
»Nein«, sagte er. »Wir haben seinen Namen nur schon eingetragen, weil es sicher ist, daß er dieses Quartier erhalten wird. Sieh her: Bei meinem Haus und beim Haus von Peter Oberndorfer steht ebenfalls schon, daß der Bräutigam und die Braut dort logieren werden. An diesen Zuweisungen wird sich nichts mehr ändern.«
»Das ist das herzogliche Zollhaus, in dem der Kaiser wohnen wird.«
»Richtig. Der Herzog hat Order gegeben, es für die Bequemlichkeit des Kaisers einzurichten.«
»Ich kann mich erinnern, daß du gesagt hast, der Kaiser sei nicht auf der Burg untergebracht.«
»Zuwenig Platz. Und zu nahe an Herzog Ludwig; die beiden sind nicht unbedingt Freunde, wenn sie auch längst keine Feinde mehr sind. Wahrscheinlich wollte der Kaiser einen Ort, an dem er sich sicher fühlen konnte.«
Mittlerweile hatte Altdorfer in seiner systematischen Art die Neustadt und die Freyung nach polnischen Logiergästen untersucht, ohne fündig zu werden. Er umrundete die Stadtmauer mit dem Finger und sah dann zu mir auf.
»Nichts«, erklärte er. »Sieh ruhig nochmals selbst darüber, aber ich denke, es gibt im Moment keine weiteren polnischen Gäste in der Stadt.«
»Was ist mit der Ländgasse zwischen der Altstadt und dem Fluß?«
»Die Häuser dort wurden als mögliches Quartier nicht in Betracht gezogen«, sagte er. »Es gibt nur im unteren Drittel Wohnhäuser; der Rest bis zum Ländtor hinauf sind Stadel und Lagerhäuser. Du siehst keine einzige rote Eintragung dort.«
Ich deutete auf eine Parzelle in der östlichen Häuserzeile der Ländgasse.
»Hier ist euch ein Fehler unterlaufen«, bemerkte ich. »Ein Name wurde ausgekratzt, aber kein neuer eingetragen.«
Er schüttelte den Kopf.
»Das ist richtig«, brummte er. »Das Haus steht leer.«
»Es steht leer? Wem gehört es denn?«
»Soweit ich weiß, dem Herzog. Es wurde vor langer Zeit von seinem Vater konfisziert, aber er hat niemals etwas damit angefangen.« Er zuckte mit den Schultern, und ich hatte den Eindruck, daß er noch etwas mehr dazu sagen wollte, es sich aber verkniff. »Es verfällt; schade darum«, sagte er nur.
Er richtete sich seufzend aus seiner gebückten Haltung auf und begann, die Karte einzurollen. Er verstaute sie vorsichtig wieder unter seinem Tisch.
»Zwei Möglichkeiten«, erklärte er. »Der Täter steckt entweder bei Albert Moniwid oder beim Botschafter.«
»Das vereinfacht die Sache«, sagte ich mit falscher Fröhlichkeit. »Es hätten auch zwanzig verschiedene Möglichkeiten zutage kommen können. So kann ich heute noch anfangen, mich bei Moniwid und dem Botschafter ein wenig umzuhören.«
Altdorfer schniefte nur. Bevor er sich zu einer Antwort aufraffen konnte, öffnete sich jedoch die Tür, und einer seiner
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